Lieber absaufen lassen!

betr.: „Europa braucht Einwanderer“ von Reiner Wandler, „Juristen: Grenzschützer handeln illegal“ von Christian Rath, taz vom 28. 9. 07

Aha. Bisher wusste ich das noch nicht: Wenn Grenzschutz-Agenturen auf das Völkerrecht verpflichtet werden, dann stachelt das die Flüchtlinge und ihre Helfer erst zu selbstmörderischen Kapriolen an (da bleiben sie wohl besser zu Hause auf dem Sofa!), es führt die Aufgabe der Frontex-Schiffe ad absurdum (in der Tat: bislang beobachten sie sorgfältig, wo seeuntüchtige Boote mit Verzweifelten absaufen – gibt es wichtigere und ehrenvollere Aufgaben?), es animiert die europäischen Regierungen zu weiteren Abkommen mit repressiven Regierungen zur Rücknahme von Flüchtlingen (die Nichtbeachtung des humanitären Völkerrechts ist sicher das richtige Gegenmittel), es lenkt die EU davon ab, sich um eine Selektion der Einwanderung zu kümmern (Politisch Verfolgte, die immer nur den illegalen Weg der Einreise haben? Brauchen wir nicht. Und sowieso sind das nur Wirtschaftsflüchtlinge), und schließlich verstellt es uns den Blick auf die Notwendigkeit gerechter globaler Wirtschaftsbeziehungen (richtige und folgenlose Forderung und immer gut als Kampfthema gegen Flüchtlingsrechte).

Der Leitartikel ignoriert den ständig zunehmenden Rechtsbruch an Europas Küsten: Mit einem Großaufgebot an Kriegsschiffen und allen fiesen und illegalen Tricks hindern die europäischen Staaten Handelsschiffe, Fischerboote und humanitäre Aktivisten daran, Flüchtlinge aufzunehmen und an Land zu bringen. Wenn nun die Selbstverständlichkeit, dass Menschen in Seenot zu retten sind, einmal in einem völkerrechtlichen Gutachten festgestellt wird, dann torpediert die taz dies im Leitartikel, weil das Verhalten der Grenzschützer ja zumindest politisch okay sei, und die rechtliche Darstellung des Gutachtens im Innenteil überschlägt sich in distanzierenden Konjunktiven. – Bravo! Vielleicht abonniert ja Herr Schäuble noch die taz. MARTIN ROGER, Hannover

Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor. Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.