Rechtsaußen aus dem Spiel genommen

PROZESS Zwei Fußball-Fans mussten sich vor Gericht verantworten, weil sie Männer in Thor-Steiner-Jacken aus dem Stadion vertieben

Die Frage, wer im Stadion toleriert werden muss, bleibt unbeantwortet.

„Das alles hätte vermieden werden können, wenn die Ordner von sich aus eingegriffen hätten“: Das Plädoyer von Verteidiger Gerrit Onken klang nach Schlusswort. „Das Tragen neonazistischer Symbole und Kennzeichen und damit auch von Thor-Steiner-Jacken ist laut Stadionordnung eindeutig untersagt“, sagte er. „Die Ordner hätten die beiden Männer von sich aus entfernen müssen.“

Die beiden Männer mit den Thor-Steinar-Jacken, dem Erkennungsmerkmal der Neonazi-Szene, sind Heiko H. und Sven W.. Beide sind seit Jahren in der ultrarechten Szene aktiv und im Oktober 2012 schauten sie sich das Oberliga-Derby zwischen Bergedorf 85 und Altona 93 im Stadion „Sander Tannen“ an. Dort wurden sie von Antifa-Fans beider Vereine erkannt, die die Ordner baten, die Neonazis aus dem Stadion zu entfernen. Als die aber nicht eingriffen, nahmen die Fans es selbst in die Hand. Es kam zu Scharmützeln, Gegenstände und wohl auch Fäuste flogen.

Am Ende wurden die beiden Rechten aus dem Stadion vertrieben und die zwei Altonaer Fans Mirko P. und Philip S. mussten sich vor dem Bergedorfer Amtsgerichts wegen des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung verantworten. Dem Prozessauftakt im Januar blieben die Geschädigten fern, die wohl ahnten, dass die Zuschauerbänke des Verhandlungssaals mit Antifas gefüllt sind würden. Am gestrigen Mittwoch mussten sie aber erscheinen und ein großes Polizeiaufgebot sollte dafür sorgen, dass sich die Stadion-Randale im Gericht nicht wiederholt.

Die Geschädigten präsentierten sich unterschiedlich. Sven W. gab den halbwegs geläuterten Mitläufer, der sich an wenig erinnern mochte. Anders als bei seinen Aussagen bei der Polizei wollte er gestern niemanden belasten. Angesprochen auf die „88“, die Bestandteil seiner früheren E-Mail-Adresse war und die für den achten Buchstaben des Alphabets, damit für HH und im Neonazi-Code für „Heil Hitler“ steht, wich er aus. Das bedeute sowas wie „Hallo Hamburg“ beteuerte er. „Na sie wissen doch, was das bedeutet“ sagte er dann, den Richter fixierend und schließlich sprach er von „einer Jugendsünde“.

Heiko H. hingegen stellte seine Tätowierung, den Hammer des Donnergottes Thor, der Rechtsextremen als Zeichen „völkischer Verbundenheit“ gilt, offen zur Schau. Während seiner Aussage blickte er sich aber diverse Male nervös zu den Zuschauerbänken um, wo der ideologische Gegner Platz genommen hatte. Doch auch er belastete nur einen der Angeklagten, widersprach dabei seinen früheren Aussagen und anderen Zeugen.

Am Ende blieb der Staatsanwältin nichts anderes übrig, als Freispruch für die Angeklagten zu fordern. Weil es bei Mirko P. keine Anzeichen gäbe, dass er am Tatgeschehen beteiligt gewesen war und bei Philip S. zumindest gewisse Zweifel blieben, ob er sich strafbar machte. Die Frage, wer im Fußballstadion toleriert werden muss, bleibt damit unbeantwortet. Marco Carini