Krümelbeats und Slogans

Stephan Remmler ist schuld, dass der Casio seinen schlechten Ruf weghat. Weil er damals, als er in den frühen achtzigerJahren mit Trio über die Fernsehschirme turnte, dabei immer auf dem kleinen handlichen Keyboard herumdrückte, ist das Gerät auf immer mit der Neuen Deutschen Welle, dem Song „Da, Da, Da“ und dem damit einhergehenden Kleinkinderbelustigungs-Image verbunden. Emma Czerny hat sich davon nicht abschrecken lassen. Das liegt womöglich daran, dass die in Berlin lebende Kanadierin mit polnischen Wurzeln von der Neuen Deutschen Welle noch nie etwas gehört hat.

Als Magic Island entlockt Czerny dem Spielzeug nun die allerschrägsten, unwirklichen, geradezu außerirdischen Klänge. Auf ihrer EP „Wasted Dawn“ bröckeln die Beats wie krümelige Kekse, die Stimmung ist verschlafen bis verträumt. „Please don’t leave me ever again“, singt Czerny, „you’re still my best friend.“ Aber auch: „I want to find you naked, when I’m in my underwear.“ So lakonisch wie sie in ihren Texten die Liebe behandelt, so beiläufig hingetupft wirkt auch die Musik. Trotzdem klingen Songs wie „Baby Blu“ nicht klein und belanglos, sondern als wären sie Preziosen aus einer verlorenen Traumwelt, die anämischen Schatten von Preziosen aus einer Parallelwelt, verrauschte Nachrichten aus goldenen Zeiten. Das Debütalbum von Magic Island kann gar nicht früh genug erscheinen.

Sehr weltlich wirkt dagegen der Electro-Pop von You’re Only Massive. Obwohl – oder vielleicht sogar weil – er so experimentell ist. Oder zumindest einmal war. Die Sounds auf dem neuen Album, „Stop Talking“, sind sperrig, die Beats synkopiert, die Melodien an der Grenze zum Slogan. Das war 2008, als das irische Duo nach Berlin kam, noch Musik für die Zukunft, ist mittlerweile aber nahezu Mainstream geworden.

Das, was Maebh Cheasty and Dave Murphy an der Grenze zwischen Club und feministischer Propaganda veranstalten, ist aber immer noch extrem abwechslungsreich zwischen knackigen Ausflügen in den HipHop und avantgardistischen Klanglandschaften und dürfte vor allem live großartig funktionieren. Allerdings dürfen You’re Only Massive auf absehbare Zeit erst einmal nicht mehr auftreten. Maebh Cheasty ist schwanger, und ihre Frauenärztin, meldet sie, hat jedes Herumhüpfen verboten. THOMAS WINKLER

■ Magic Island: „Wasted Dawn“ (Mansions & Million/Morr Music), Record Release Party am 5.2. im Chesters, Kreuzberg

■ You’re Only Massive: „Stop Talking“ (YM/www.youreonlymassive.com)