OFF-KINO

Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

LARS PENNING

Die humorvolle Selbstinszenierung ist Nanni Morettis Stärke: Nach seinem Erfolg mit der inszenierten Dokumentation „Liebes Tagebuch“ (1994), in dem der Regisseur sich und seinen neugierigen Blick auf die italienische Gegenwart in den Mittelpunkt eines filmischen Tagebuchs gestellt hatte, verband er im ähnlich konzipierten „Aprile“ (1998) erneut das Private mit dem Beruflichen. Im Privatleben dreht sich hier alles um die Schwangerschaft seiner Frau Silvia und die Geburt des gemeinsamen Sprösslings: Hektisch und nervös macht sich der werdende Vater die abstrusesten Sorgen, scheint unter der Schwangerschaft stärker zu leiden als die gelassene Gattin. Beruflich kommt er hingegen nicht voran, das Musical um einen trotzkistischen Bäcker scheitert schon in der Planungsphase. Wo das noch komisch erscheint, wird es bei der geplanten Dokumentation über die seinerzeit aktuelle politischen Lage in Italien dann ernst: Moretti lässt seinem Ärger über Berlusconi, die rechtsgerichtete Partei Lega Nord oder die Behandlung mittelloser albanischer Flüchtlinge gleichermaßen freien Lauf. So wird „Aprile“ jenseits einer amüsanten Selbstbespiegelung fast beiläufig auch zur Bestandsaufnahme der politischen und sozialen Spannungen im Italien der neunziger Jahre. (OmU, 8. 2., Babylon Mitte)

Die diesjährige Berlinale-Retrospektive ist dem Farbverfahren Technicolor gewidmet, dessen tief gesättigte Farben sich in Abenteuer- und Kostümfilmen besonders schön entfalteten. Ein Piratenfilm mit ungewöhnlicher Perspektive ist etwa Jacques Tourneurs „Anne of the Indies“ (1951), der bei allen genretypischen Elementen doch vor allem die melodramatische Geschichte einer Frau erzählt, die als Anführerin einer Männerhorde scheitern muss, als sie sich erstmals ihres Geschlechts bewusst wird und sich verliebt. Anfangs ist die Piratenkapitänin Anne Providence (Jean Peters) die einzige Frau unter vielen Männern, die sie trotz ihres aparten Äußeren nicht als solche ansehen: Als Kapitän ist sie die Respektsperson. Schwierig wird die Lage, als sich ein – tatsächlich glücklich verheirateter – Undercover-Agent (Louis Jourdan) auf ihrem Schiff einschleicht, von Kleidern, Paris und der Liebe schwadroniert und ihre beginnende Liebe verrät. Interessant ist allerdings, dass der Film mit der Gattin des Agenten keine Antagonistin zur Piratin entwirft, sondern eine Frau, die eher wie ihre jüngere stolze Schwester erscheint. Denn die Schauspielerin Debra Paget war nahezu der gleiche Typ wie Jean Peters: dunkelhaarig, exotisch und rebellisch. In Technicolor kam das zweifellos besonders gut – das fanden vermutlich auch die Millionäre, die Peters und Paget später heirateten. (7. 2., Zeughauskino)