Beim nächsten Lied wird alles besser

Jenseits von Befindlichkeitsgeseire und einhelligen Antworten: Nach vier Jahren gepflegten Understatements stellt die Hamburger Postpunk-Formation „Schneller Autos Organisation“ ihren zweiten Longplayer „Noch mehr Hoffnung für noch mehr Menschen“ vor

In ihrer Heimatstadt hat die „Schneller Autos Organisation“ sich in den letzten Jahren rar gemacht, den Musik-Bunker vorgezogen, sich dem Konzertpublikum vorenthalten. Denn der Weg zum zweiten Longplayer ist mitunter lang, reich an Umwegen und beschwerlich. Ganze vier Jahre nach dem Debütalbum „World“ ist nun – nach einem langwierigen und möglicherweise auch langatmigen Umbesetzungs- und Produktionsprozess – der Nachfolger „Noch mehr Hoffnung für noch mehr Menschen“ erschienen. Nicht mehr auf dem eigenen Label „Polpop“ und zum ersten Mal offiziell verlegt.

Man fragt sich, wo sie denn hinwollen und ob sie woanders hinwollen? Haben sie gar den Zynismus in den Schrank gestellt, sich die Businessgitarren umgehängt? Wurden die Verzerrer rausgedreht und nun geht’s ans Tellerwaschen? Aber erst mal hingehört, denn die Platte selbst widerspricht – allem – und wir bleiben, zum Glück, im Unklaren, wohin es gehen soll. Ähnlich dem Phänomen, Musikerinnen selbst als 30-Jährigen noch ein Riotgrrrl-Dasein zu unterstellen, wird wohl auch die „Schneller Autos Organisation“ in diesem Leben das Label „(Emo-)Punk aus Hamburg“ nie wieder los. Zwar 2001 auf den Ruinen der Rahlstedter Deutschpunker „Pankzerkroiza Polpotkin“ wiederaufgebaut, wurde musikalisch weitergedacht und vor allem ausgiebiger nachgedacht, um dem Post-Studentenleben mit der Wahrheitsverweigerung des vom Neoliberalismus gebeutelten prekarisierten Ichs in die Magengrube zu treten.

Und eben diese Beharrlichkeit, keine Antworten geben zu wollen und auch mal an einem Sound fünf Minuten stehenzubleiben, markiert den entscheidenden Unterschied zum Befindlichkeitsgeseire jener Bands des angehängten Genres, die gerade im deutschsprachigen Bereich doch gravierenden Qualitätsschwankungen unterliegen. Wenn man diese nämlich auf intelligente Inhalte und Wortgewandtheit überprüft, steht die „Schneller Autos Organisation“ auf einmal ganz schnell allein da und es hilft auch kein müder Verweis auf „den jungen Distelmeyer“ mehr. Was nur heißen kann, die Metapherndichte ist im noch zumutbaren Bereich und die Musik – vehement.

Das Außerordentliche an „Noch mehr Hoffnung für noch mehr Menschen“ liegt denn auch weniger in einer Markierung für die hiesige Gitarrenmusik-Szene, als in der Art, wie hier deutlich wird, dass eine Band sehr wohl aus (in diesem Fall vier) Individuen besteht und das Musizieren in Auseinandersetzung miteinander verhandelt wird. So stehen die einzelnen Komponenten der Instrumentierung hier merkwürdig eigen zueinander, ohne aber auseinanderzubrechen oder in Selbstprofilierungen abzudriften. Vielmehr wird so geradezu vorgeführt, dass keine einhelligen Antworten zu erwarten sind, erst recht nicht von einer Postpunkformation.

Am Sonntagabend wird endlich gefeiert, woran so lange gearbeitet wurde. Dazu hat sich die Band die beiden Kollegen von „xrfarflight“ eingeladen. Auch sie feilen seit geraumer Zeit an einem Longplayer, was aus ihren verspielten LoFi-Popsongs zunehmend intelligente und eigenwillige Arrangements werden lässt. „xrfarflight“ sind wach und aufgeregt damit zugange, ihre Vintage-Kisten derart miteinander zu verknoten, dass die gesamte Soundbreite von der 60s-Garage bis zum Singer/Songwritertum hörbar wird.

KERSTIN SCHROEDINGER

So, 7. 10., 21 Uhr, Hafenklang, Große Bergstraße 178