Grüne sehen Bedarf von 300.000 Fachkräften pro Jahr

MIGRATION Göring-Eckardt und Beck legen Eckpunkte für ein Einwanderungsgesetz vor. SPD ist angetan

BERLIN taz | Die Grünen wollen ein Einwanderungsrecht, das Hochqualifizierten wie auch Flüchtlingen neue Wege eröffnet, sich in Deutschland niederzulassen und hier zu arbeiten. Die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt und der Innenpolitik-Experte Volker Beck stellten am Mittwoch in Berlin Pläne vor, die auf ein Punktesystem für Fachkräfte hinauslaufen.

„Die anderen haben Streit, wir haben ein Konzept“, erlaubte sich Göring-Eckardt einen Seitenhieb gegen SPD und Union. In der Großen Koalition wird derzeit kontrovers über ein mögliches Einwanderungsgesetz diskutiert. Für mehr Einwanderung machte Göring-Eckardt, wie schon die SPD, insbesondere demografische Gründe geltend: 300.000 Zuwanderer brauche Deutschland pro Jahr, rechnete sie vor, und bezog sich auf Zahlen der Arbeitgeberverbände. Einen Fachkräftemangel gebe es nicht nur bei akademischen Berufen, sondern auch in der Pflege. Die bisherigen Regelungen seien aber zu bürokratisch, monierte Beck und schwenkte demonstrativ ein 26-seitiges „Merkblatt“ der Bundesagentur für Arbeit, das die wichtigsten Bestimmungen zur Arbeitsmigration auflistet.

Die Grünen schlagen deshalb ein Einwanderungsrecht vor, das sich an den Erfordernissen des Arbeitsmarkts orientiert. Eine Kommission sollte die Kriterien dafür ausarbeiten. Bundestag und Bundesrat sollten dann jährlich den Bedarf an Arbeitskräften aus dem Ausland festlegen. Im Unterschied zu heute wären dann nicht mehr der Nachweis eines Arbeitsplatzes und eine bestimmte Verdienstsumme nötig, um ein Visum für die Arbeitsmigration nach Deutschland zu bekommen. Einen Arbeitsplatz nachweisen zu müssen sei bei Pflegekräften „weltfremd“, befand Göring-Eckardt.

Zugleich wollen die Grünen Deutschland durch eine Reihe von Reformen beim Aufenthalts- und Staatsbürgerschaftsrecht sowie beim Familiennachzug und durch mehr Geld für Integrationskurse attraktiver machen. Dass trotz der bisherigen Lockerung des Staatsbürgerschaftsrechts noch immer die Hälfte der Kinder von Migranten als Ausländer geboren würde, sieht Beck als Problem und brachte es auf die flapsige Formel: „Willkommenskultur muss im Kreißsaal beginnen.“

Auch in Asylbewerbern müsse man das Potenzial sehen: Sie sollen durch einen „Statuswechsel“ reguläre Einwanderer werden können. Sprachkurse für Flüchtlinge soll es nicht erst geben, wenn ihr Asylverfahren abgeschlossen ist.

„Wir sind nicht weit voneinander entfernt“, begrüßte Josip Juratovic, der migrationspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, gegenüber der taz den Vorstoß der Grünen. „Je mehr sich an der Debatte beteiligen, umso besser.“ Die SPD will Ende Februar ein eigenes Konzept für ein Gesetz vorlegen. BAX