Islamisten in Isolation

FRANKREICH Muslimische Seelsorger sollen Gefängnisinsassen davon abhalten, sich zu radikalisieren. Islamisten kommen in Einzelzellen

PARIS taz | Der Weg zur Radikalisierung führte islamistische Terroristen in Frankreich häufig durchs Gefängnis. Der Polizei waren die meisten der französischen Dschihadisten in Syrien, Irak oder Afghanistan zuvor wegen banaler Delikte oder Gewalttaten bekannt geworden. Ihre ideologische Motivation fanden sie häufig hinter Gefängnismauern im Kontakt mit inhaftierten Terroristen. Der Werdegang von Amedy Coulibaly und den Brüdern Kouachi bestätigt diese Erfahrung. Sie haben die Attentate Anfang Januar in Paris verübt.

Unter dem Schock der Anschläge auf die Redakteure von Charlie Hebdo will die Regierung nun gegen die Radikalisierung vorgehen. In einigen Haftanstalten sollen versuchsweise die radikalen Islamisten von anderen Häftlingen isoliert werden. 20 Millionen Euro will man zusätzlich pro Jahr in die Wiedereingliederung potenziell gefährlicher Islamisten investieren.

Am meisten aber verspricht man sich im Kampf gegen die Hassprediger von den muslimischen Seelsorgern. Sie sollen dafür sorgen, dass junge Gefangene einen anderen Islam kennenlernen als die radikale Version der Extremisten. Die Regierung will 60 zusätzliche muslimische Seelsorger einsetzen. Zurzeit sind 182 im Einsatz, und sie sind völlig überlastet. Da die weltliche Republik keine religiösen Aktivitäten finanzieren darf, erhalten sie keinen Lohn, sondern nur eine pauschale Kostenentschädigung von 900 Euro pro Monat. Freiwillige Kandidaten sind Mangelware. Zudem stellt aus staatlicher Sicht ihre Ausbildung ein Problem dar. Die Gewerkschaften der Gefängnisaufseher haben in der Vergangenheit vor „Seelsorgern“, die selber sehr radikale Thesen hätten oder vereinzelt sogar den Dschihad propagiert hätten, gewarnt.

RUDOLF BALMER