Schnuppertour mit Langzeitwirkung

EU Das Leonardo-da-Vinci-Programm bringt junge Spanier zum Praktikum nach Berlin. Für viele ist das eine Alternative zur drohenden Arbeitslosigkeit

„Den Praktikanten gefällt die Offenheit der Berliner. Sie erleben Berlin als bunt, frei und lebendig“

NIEVES FLORES, AGENTUR DABAI

VON MARINA MAI

Itziar schmiert zwei Scheiben Vollkornbrot und packt sie in die Brotdose. „Ich gehe zur Arbeit wie eine Deutsche“, sagt die junge Spanierin zu Sabine F., die gerade in die Küche kommt. „Wieso wie eine Deutsche?“, will Sabine, ihre Vermieterin, wissen. Itziar erklärt, dass es in Spanien eine lange Siesta gibt. Zum Essen gehe man nach Hause oder in einen Imbiss. In ihrer südspanischen Heimatstadt seien die Wege ohnehin nicht so weit wie in Berlin. Aber in dem Hönower Dentallabor, wo Itziar ein Praktikum macht, bringen alle Kollegen ihre Stullen mit. Jetzt macht Itziar einen Salat mit Balsamicoessig und Olivenöl an. „Wie eine Spanierin“, sagt sie und lacht. Auch den Salat füllt sie in eine Dose und nimmt ihn mit.

Itziar macht ihr Praktikum über das Mobilitätsprogramm „Leonardo da Vinci“. Die Europäischen Union (EU) hat es aufgelegt, um jungen Europäern die Möglichkeit zu geben, Berufserfahrungen in einem anderen EU-Land zu sammeln. Sie sollen ihre Kenntnisse in einer anderen Sprache verbessern, ihren persönlichen Horizont erweitern, sich interkulturelle Kenntnisse aneignen. Nutznießer sind alle: Jugendliche können ein paar Wochen lang kostengünstig in einem anderen EU-Staat leben und arbeiten. Die Firmen profitieren von hoch motivierten und gut ausgebildeten kostenlosen Arbeitskräften.

Die EU zahlt den Flug nach Berlin, einen dreiwöchigen Deutschkurs zu Beginn des Aufenthalts, Miete, Versicherung und eine Monatskarte für den Nahverkehr sowie die Betreuung durch eine Agentur. Geld bekommt die Zahnmedizinstudentin für ihr Praktikum nicht. Aber von Schülerjobs abgesehen ist das Itziars erste berufliche Erfahrung. Für eine Jugendliche aus Spanien, dem EU-Staat mit der höchsten Jugendarbeitslosigkeit, ist das viel. Zu Hause wird der Einstieg ins Berufsleben nicht einfach, und der Deutschlandaufenthalt kann ihr bei der Jobsuche hilfreich sein.

Aber die 22-Jährige ist nicht nur zum Arbeiten nach Berlin gekommen. „Die Stadt ist einfach großartig, jeden Abend gehe ich mit den Leuten aus meiner Praktikumsgruppe woandershin“, erzählt sie. Itziar nutzt das ganze Spektrum, das Berlin bietet: von der Museumsinsel bis zum Karaokesingen im Mauerpark.

Die Deutschspanierin Nieves Flores ist Geschäftsführerin der Agentur Dabai, die seit 2004 die jungen Spanier und neuerdings auch Praktikanten aus Italien und Griechenland in Berlin betreut. Sie kümmert sich um Praktikumsplätze und Zimmer, um Deutschkurse, Flugbuchungen und die medizinische Versorgung. „Zwischen 70 und 100 Spanier kommen pro Jahr über das EU-Programm“, erzählt sie. Jedes Mal erlebe sie bei ihnen eine große Begeisterung für die Stadt. „Den Praktikanten gefällt die Offenheit der Berliner. Sie erleben Berlin als bunt, frei und lebendig, das Leben hier als angenehm und bereichernd.“ Viele spanische Jungakademiker hätten zudem lediglich theoretisches Wissen und kaum Praxis. „Das ist für uns eine Herausforderung, ihnen die Möglichkeit zu geben, hier erste praktische Erfahrungen zu gewinnen“, sagt Flores. Und gerade in einer Zeit, wo die südlichen EU-Staaten von Krisen heimgesucht werden, ist Berlin Nutznießer des Mobilitätsprogramms: Fachkräfte kommen hierher, die von jungen Firmen dringend gebraucht werden. Zuwanderung wird für Berlin nicht nur kulturell, sondern auch wirtschaftlich eine Bereicherung. „Eine bezahlte Praktikumsverlängerung oder sogar eine Festanstellung im Anschluss an das Praktikum sind nicht selten“, weiß Flores.

Itziar will nach dem Praktikum erst einmal nach Spanien zurückkehren und weiterstudieren. „Ich möchte aber auf jeden Fall irgendwann nach Berlin zurückkehren“, sagt sie. Konkreter sehen die Pläne von Irina aus, die von Februar bis April in Berlin einer Firma half, die spanische Version der Website zu pflegen. Mit den Kollegen und im Alltag verständigte sie sich auf Englisch, das hat sie als Mangel empfunden. Irina hat nach der Rückkehr nach Spanien ihr letztes Semester BWL absolviert und lernt nun Deutsch. Nächsten Sommer will sie sich in Berlin auf Stellensuche begeben. „Ich habe mich einfach in die Stadt verliebt“, sagt die Spanierin.

Auch Sabine F., Itziars Vermieterin, profitiert von den spanischen Praktikanten. Seit ihre Kinder ausgezogen sind, könnte sie sich die große Wohnung ohne Untermieter nicht mehr leisten. „Es war eine gute Idee. So brauche ich nicht umzuziehen.“ Die alleinstehende Frau empfindet es als Bereicherung, mit jungen Spaniern die Wohnung zu teilen und Berlin durch die Augen von Besuchern zu sehen. „Seit ich vermiete, hat sich mein Englisch sehr verbessert“, erzählt sie. Und als sie nach einer OP gehandicapt war, habe ihre Untermieterin für sie gekocht: spanische Tortillas.

Mehr zum Leonardo-da-Vinci-Programm der EU unter na-bibb.de/leonardo_da_vinci_3.html