Merkel gegen afrikanische „Zustände“

Zum Höhepunkt ihrer Afrikareise spricht die Bundeskanzlerin mit Südafrikas Präsident über die Krise in Simbabwe. Mit öffentlicher Kritik hält sie sich jedoch zurück. Massiver Ausbau der deutschen Wirtschaftspräsenz in Südafrika geplant

AUS PRETORIA MARTINA SCHWIKOWSKI

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat auf ihrem dreitägigen Staatsbesuch in Südafrika die Gelegenheit wahrgenommen, mit Präsident Thabo Mbeki über Simbabwe zu sprechen. Südafrika habe selbst ein starkes Interesse an einer Lösung des Konflikts jenseits der Grenze, denn es werde schon allein durch die Flüchtlingsströme aus Simbabwe stark beeinflusst, erklärte die Deutsche gestern Nachmittag auf einer Pressekonferenz mit Gastgeber Thabo Mbeki. „Ich habe ihm in unserem Gespräch auch gesagt, dass die Lage desaströs ist“, meinte Merkel, überließ es aber dem südafrikanischen Präsidenten, sich zu Lösungsansätzen für die Krise in Simbabwe zu äußern.

Die Bundeskanzlerin hatte bereits im Vorfeld ihrer Drei-Länder-Reise nach Äthiopien, Südafrika und Liberia angekündigt, Menschenrechte und gute Regierungsführung in Afrika zu thematisieren. In Äthiopien hatte sie bei Premierminister Meles Zenawi mehr Spielraum für Oppositionsparteien angemahnt – ein heikles Thema, denn die äthiopische Opposition wurde zuletzt mit Gerichtsverfahren und Massenfestnahmen drangsaliert. In Südafrika ist es kaum weniger heikel, die wenig bewirkende regionale Simbabwe-Diplomatie offen anzusprechen.

Südafrikas Präsident Mbeki lobte in Antwort auf Merkel die angeblichen Fortschritte, die unter seiner Führung in Gesprächen zwischen Regierung und Opposition in Simbabwe gemacht würden. Nun müssen weitere Schritte folgen, darunter die Neustrukturierung der Wahlkommission, damit Simbabwes Wahlen 2008 frei und fair ablaufen können. „Ich bin sicher, dass es eine Einigung der Parteien geben wird“, sagte Mbeki. Mbeki hat schon mehrere Simbabwe-Verhandlungen in den vergangenen Jahren geführt, ohne Ergebnis.

Kritik war von Merkel daran nicht zu hören. Sie dankte Mbeki, dass er eine aktive Rolle übernehme, um die „unzufrieden stellenden Zustände“ in Simbabwe sowie in anderen Ländern wie Sudan und Somalia aufzulösen. Und: „Ich weiß, Sie haben die Afrikanische Union weitergebracht und die Stimme des afrikanischen Kontinents gestärkt.“ In Äthiopien hatte sie bereits Alpha Oumar Konaré getroffen, den Kommissionspräsidenten der Afrikanischen Union (AU), und mit ihm die Vorbereitungen des Anfang Dezember anstehenden EU-AU-Gipfels in Lissabon debattiert. Den will der britische Premierminister Gordon Brown boykottieren, sollte Robert Mugabe dort erscheinen. Diese Position übernahm Merkel nicht. Sie sagte, alle AU-Staaten sollen eingeladen werden und selbst entscheiden, wer kommt. „Wir werden dort auch kritische Worte sagen, aber alle haben ein Recht darauf, teilzunehmen.“

Im Gegenzug ist Südafrika froh über eine Kanzlerin, die Afrika Aufmerksamkeit widmet. Mbeki sagte, es sei Merkel zu verdanken gewesen, dass auf dem G-8-Gipfel in Heiligendamm das Thema Afrika wieder in den Mittelpunkt gerückt wurde.

Gute Worte über die „intensiven Beziehungen in allen Bereichen“ zwischen beiden Ländern gab es viele. Mandisi Mpahlwa, Südafrikas Minister für Handel und Industrie, weist Deutschland eine „Schlüsselrolle“ in seinem Land zu. Führende Wirtschaftsvertreter beider Länder waren gestern ebenfalls in Pretoria zum eintägigen Gespräch zusammengekommen.

Südafrika will nicht mehr nur business as usual, sondern ist bestrebt, seine Wirtschaft wesentlich stärker zu industrialisieren. Dabei soll Deutschland mit seinem Wissensvorsprung zum Beispiel in der verarbeitenden Industrie, in Technik, Raumfahrt und dem Energiesektor mit Rat und Investionen zur Seite stehen. Das sind wichtige Bereiche, in die Deutschland bereits Gelder fließen lässt. Das bilaterale Handelsvolumen 2006 lag bei 11 Milliarden Euro und soll 2007 12 Milliarden betragen. Südafrikas Investitionen in Deutschland betragen 1,1 Milliarden Euro, die aus Deutschland in Südafrika 4,2 Milliarden Euro. Mehr als 500 deutsche Firmen sind in Südafrika aktiv und beschäftigen rund 70.000 Menschen. Der akute Mangel an Fachkräften in Südafrika soll durch deutsche Investitionen in Ausbildung behoben werden. Deutschland soll auch helfen, die Probleme der Transportinfrastruktur angesichts der Fußballweltmeisterschaft 2010 zu lösen.