Das Nirwana im Blick

Die Fußballer des VfB Lübeck kämpfen mühsam um jeden Punkt für den Einzug in die neue Dritte Liga. Nun gelang ihnen endlich mal wieder ein Heimsieg – ausgerechnet gegen die Überraschungsmannschaft von Kickers Emden

Durch die Lohmühle hallen die Gesänge von rund 300 Unermüdlichen. Der Rest der 3.300 Stadionbesucher ist auf dem Heimweg oder fachsimpelt am Bierstand. Die Fußballer des VfB Lübecker haben zu Hause mal wieder gepunktet, wenn auch nicht überzeugend. Der letzte Heimsieg: 18. August, 3 : 1 gegen den HSV II. Das letzte Unentschieden im eigenen Stadion: 15. September, 0 : 0 gegen Rot-Weiß Oberhausen. Und am Samstag: 2 : 1 gegen Kickers Emden. Der WDR verkündete nach der Bundesligakonferenz eine „riesige Überraschung in Lübeck“.

Eine „riesige Überraschung“ – weil der VfB in dieser Saison allzu oft schlecht spielte und Emden die zweitbeste Defensive der Liga vorweisen konnte. Bis zum Samstag sieben Gegentore in elf Spielen, Platz zwei. Lübeck hingegen: Drei Punkte von der Rettung vor dem Nirwana der Oberliga entfernt.

Der VfB Lübeck spielt unspektakulär und unsicher. Die Abwehr lässt sich durch frühes Angreifen des Gegners verunsichern, im Mittelfeld werden zu viele Zweikämpfe verloren und auch die Pässe in den Sturm sind oft zum Wegschauen. Nach der 0 : 2-Heimniederlage vor zwei Wochen gegen Rot-Weiß Ahlen hatte die Mannschaft bis halb eins mit dem Trainer zusammengesessen. Besprechung nennt es Abwehrspieler Carsten Rump. Man habe sich eingeschworen, sagt er. Und dass die Mannschaft hinter dem Trainer stehe.

Sollte überzeugend klingen. Lässt eher auf schlechte Stimmung schließen. Leute, die jeden Tag mit dem Verein zu tun haben, sagen, es gebe eine Gruppe, die hinter dem Trainer stehe, eine die gegen den Trainer sei, und eine, die sich nicht äußere. Zwei Spieler aus seinem verletzungsbedingt ohnehin dezimierten Kader suspendierte Trainer Uwe Erkenbrecher am Dienstag für zwei Wochen: Mittelfeldmann Benjamin Baltes und Joseph Laumann, wegen deren „sportlicher Einstellung und des Charakters der Spieler“.

Vor zwei Jahren noch galt Lübeck als „ewiger Dritter“ der Regionalliga Nord. Vergangene Saison: Krise, kurzzeitig auf einem Abstiegsplatz, letztlich Neunter. In dieser Saison sollte alles wieder besser werden. Den Verbleib in der Liga, die ab dem kommenden Jahr mit der Regionalliga Süd zur 3. Liga vereint wird, den würden sie schaffen. Unter die ersten Zehn muss die Mannschaft dafür kommen. Momentan steht der VfB auf Platz 13.

Bei Kickers Emden rechnet der dortige Stefan Emmerling mit 50 Punkten, die man wohl für den Klassenerhalt brauche. Seine Mannschaft hat so gut wie die Hälfte des voraussichtlichen Solls bereits geschafft. Trotz der Niederlage bleibt Emden Ligazweiter. Für Emmerling war die Niederlage vor allem eins: unglücklich. Zwar war Lübeck die bessere Mannschaft, aber sowohl Athanasios Noutsos Treffer aus sieben Metern in der 25., wie auch Hirschs Freistoßtreffer in der 75. Minute waren abgefälscht. Die Emdener hätte nach dem 1 : 1 des Ex-Lübeckers Enrico Neitzel in Führung gehen können, nutzten ihre sehr guten Chancen aber nicht.

Gerade weil Kickers Emden nach der vergangenen Saison nicht nur einen neuen Trainer suchen, sondern auch 13 Spieler ersetzen musste, sind die Ostfriesen die Überraschungsmannschaft der bisherigen Hinrunde. „Seit dem Auftaktsieg gegen Braunschweig hat die Mannschaft Selbstvertrauen gewonnen. Und wir haben auch Niederlagen weggesteckt.“

Den Lübeckern bleibt die Hoffnung, dass Torwart Michael Frech mit seiner Analyse recht hat: „Wir sind nicht so schlecht, wie wir bisher manchmal gespielt haben, aber auch nicht so gut, wie die Mannschaften, die ganz oben stehen“, sagte er nach dem Spiel. Klingt nach Klassenerhalt. Christina Stefanescu