Bildungsrepublik in weiter Ferne

BILDUNG Eine Studie des DGB zeigt, wie weit Bund und Länder hinter ihren erklärten Zielen hinterherhinken. Zu viele Jugendliche ohne Berufsabschluss

BERLIN taz | Zur „Bildungsrepublik“ solle die Bundesrepublik werden, das verkündete Bundeskanzlerin Angela Merkel vor drei Jahren. Der Bildungsgipfel, den Bund und Länder in Dresden im Oktober 2008 abhielten, sollte den Stein ins Rollen bringen. Am Mittwoch hat der DGB in Berlin eine Studie vorgestellt, die überprüfen soll, inwieweit die Ziele von Dresden umgesetzt wurden. „Wir wollen Bund und Länder am Erreichen ihrer eigenen Vorgaben messen“, erklärt die stellvertretende Vorsitzende des DGB, Ingrid Sehrbrock, dazu.

Das Fazit des DGB fällt ernüchternd aus. „Bei fünf von sechs wesentlichen Zielen des Bildungsgipfels läuft die Umsetzung schleppend oder mit kaum wahrnehmbaren Fortschritten“, resümiert der Essener Bildungsforscher Klaus Klemm, der die Studie durchgeführt hat. Lediglich bei der Zahl der Studienanfänger decken sich Anspruch und Wirklichkeit. Besonders gravierend fällt der Blick auf zwei andere Aspekte aus. So wurde auf dem Dresdner Gipfel vereinbart, die Zahl der ausbildungsfähigen jungen Erwachsenen ohne Berufsabschluss von 17 auf 8,5 Prozent zu halbieren. 2009 ging deren Anteil leicht zurück, ein Jahr später stieg er wieder auf den Wert von 2008 an. Somit haben in Deutschland rund 1,5 Millionen Menschen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren keinen Berufsabschluss. Eine Halbierung dieser Zahl bis 2015 hält Bildungsforscher Klemm daher für ausgeschlossen.

Die Bildungsmisere betrifft keineswegs nur Erwachsene, sondern auch die Jüngsten. Im vergangenen Jahr lag die Betreuungsquote für die unter Dreijährigen bei 23 Prozent. Damit liegt das Ziel, für ein Drittel von ihnen bis 2013 einen Krippenplatz zur Verfügung zu stellen, in weiter Ferne. Ab 2013 soll es für alle Familien einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz geben – wie der garantiert werden soll, steht noch in den Sternen. Dabei zeigen Studien, dass der Besuch einer Kinderkrippe zu größeren Bildungschancen führt. Der DGB befürchtet daher fatale Folgen, sollten die Ziele von Dresden scheitern: „Die Bildungsrepublik wird so zur Fata Morgana. Das bringt nicht nur ökonomischen, sondern auch sozialen Sprengstoff.“ Der GEW-Vorsitzende Ulrich Thöne fordert deshalb: „Die öffentlichen Bildungsangebote müssen ausgebaut, ihre Qualität verbessert werden.“ Es sei Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen, „zu regeln, dass deutlich mehr Geld aus öffentlichen Kassen in öffentliche Bildungseinrichtungen und in alle Bildungsbereiche investiert wird“.

TIMO REUTER