Der privatisierte Volksentscheid

Am Sonntag ist der letzte Tag des Volksentscheids. Ausgezählt wird vom privaten Dienstleister LDZ in Bahrenfeld. Gestern kamen Mehr Demokratie und GAL unangemeldet auf Kontrollbesuch

Am kommenden Sonntag, dem 14. Oktober, können die HamburgerInnen in einem der 201 Abstimmungslokale in der Stadt dem Volksentscheid „Hamburg stärkt den Volksentscheid“ zustimmen oder diesen ablehnen. Ein Bündnis aus mehr als 30 Bürgerinitiativen, Umweltverbänden, Gewerkschaften, Vereinen und Parteien, darunter der Verein „Mehr Demokratie“ und die Patriotische Gesellschaft, wollen die Verbindlichkeit von Volksentscheiden in der Hamburger Verfassung festschreiben lassen. Grund ist, dass die regierende CDU bereits zwei mal Referenden missachtete: Der Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) wurde privatisiert, obwohl sich die BürgerInnen 2004 mit großer Mehrheit dagegen ausgesprochen hatten. Und das vom Volk beschlossene neue Wahlrecht wurde im Sommer von der CDU verändert. Bereits seit dem 17. September konnten die HamburgerInnen per Briefwahl abstimmen. 287.484 machten bis gestern davon Gebrauch. Für den Erfolg des Volksentscheides muss mehr als die Hälfte aller Hamburger Wahlberechtigten zustimmen: Exakt 607.468 Ja-Stimmen sind mindestens notwendig.  SMV

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Noch werkeln Handwerker in den vier Räumen, in denen ab nächsten Montag der Volksentscheid „Hamburg stärkt den Volksentscheid“ ausgezählt wird (siehe Kasten). Aber alles werde rechtzeitig fertig, sagt Kristian Kortha, Geschäftsführer des LDZ Laserdruckzentrums in der Luruper Chaussee. Und bei der Auszählung in seiner Firma auf dem Gelände des Gewerbeparks Bahrenfeld werde alles korrekt verlaufen, versichert er seinen Überraschungsgästen Angelika Gardiner von der Initiative „Mehr Demokratie“ und Farid Müller, grüner Verfassungspolitiker in der Bürgerschaft.

Gestern Vormittag kamen die beiden unangemeldet ins LDZ, „um nach dem Rechten zu sehen“, wie Müller es ausdrückte. Denn eine Reihe von Unregelmäßigkeiten und Schlampereien bei der Durchführung des Volksentscheides hatte für Argwohn gesorgt. Weitere Pannen seien ausgeschlossen, antwortete der Senat vorige Woche auf eine parlamentarische Anfrage Müllers, weil der Landeswahlleiter entsprechenden Qualitätsstandard sicherstelle und die Auszählung beim Dienstleister öffentlich erfolge.

„Das stimmt“, sagt Dienstleister Kortha, und führt durch die noch leeren Räume im ersten Stock. Er zeigt, wo die Tische hinkommen, an denen ausgezählt werden soll, wo die Computer stehen werden, in welchem Raum mit Spezialschloss die Abstimmungsurnen und die „Panzerkartons“ gelagert werden, in denen die Briefvoten aus den Bezirksämtern angeliefert werden.

Die Kartons kauft Kortha bei der Firma Transpak, entschieden hat er sich für das „Top-Angebot Fix-it-easy“. Die laut Hersteller „sichere Box für empfindliche Produkte, Innenmaß 320 x 220 x 240 mm“ gibt es bei Abnahme von mehr als 40 Kartons schon zum Stückpreis von 1,29 Euro. Kortha hat 800 geordert. Sicher seien die, versichert er, zudem würden sie versiegelt, mit Laufzetteln versehen und in Übergabeprotokollen verzeichnet. Bei der Ankunft würden die Kartons gewogen mit einer Spezialwaage mit einer Toleranz von höchstens einem Gramm – Manipulationen wie beim Urnenklau bei der SPD im Februar, sagt Kortha, „kann es hier nicht geben“.

Ab Montag, dem 15. Oktober, werden die per Brief in den Bezirksämtern eingegangenen Voten dort täglich abgeholt und im LDZ ausgezählt. Seine Angestellten seien auf Datenschutz und Geheimhaltung verpflichtet, beteuert Kortha, zudem werde das Landeswahlamt erfahrene Fachkräfte aus der Bezirksverwaltung zur Verfügung stellen, die bereits mehrfach Wahlen in Hamburg durchgeführt haben. Nach menschlichem Ermessen, glaubt der LDZ-Chef, „kann da nichts schief gehen“.

Das denken nach dem einstündigen Kontrollbesuch auch Gardiner und Müller. Für das Verfahren sei größtmögliche Transparenz und Sicherheit notwendig sagt Gardiner: „Ich denke, das wird hier ordentlich gemacht werden.“ Für die stundenweise Anwesenheit bei der etwa zehn Tage dauernden öffentlichen Auszählung suchen „Mehr Demokratie“ und GAL trotzdem noch Freiwillige.

Vertrauen sei ja gut, zitiert Müller, „aber Kontrolle ist noch besser“. Am Samstag haben sich beim Infobus von „Mehr Demokratie“ am Tibarg in Niendorf 19 Anwohner gemeldet, die noch keine Briefwahlunterlagen erhalten haben. Diese müssen laut Gesetz aber bereits vor zwei Wochen zugesandt worden sein. „Mehr Demokratie“ hat die Namen und Adressen gestern Morgen an das Landeswahlamt gefaxt. Das werde umgehend geklärt, bestätigt dessen Sprecher Asmus Rösler auf Anfrage der taz: „Wir gehen dem nach.“

Zudem erhalten alle HamburgerInnen Post: Der Gesetzestext, über den abgestimmt werden soll, wird ihnen nachträglich zugesandt. Das Landeswahlamt hatte dies überflüssig gefunden und „Mehr Demokratie“ deshalb mit Anfechtung gedroht. Die Briefe würden nun, verspricht Rösler, „noch vor der Abstimmung am Sonntag eintreffen“.

Freiwillige Wahlbeobachter melden sich bitte bei: Mehr Demokratie, ☎ 040 / 31 76 91 00, info@mehr-demokratie-hamburg.de oder bei Farid Müller, ☎ 040 / 32 87 32 80, farid.mueller@gal-fraktion.de.