Von Gott gesendet

Fromm wie nie: Radio Bremen-Intendant Heinz Glässgen will sein neues Funkhaus mit bischöflichen Weihen eröffnen lassen. Ein Vorgang, für den es kein Beispiel gibt – aber biografische Gründe

VON BENNO SCHIRRMEISTER

Man könnte auch einen Schamanen die Trommel schlagen und die bösen Geister mit Räucherstäbchen vertreiben lassen. Solche Rituale aber sind Radio Bremen-Intendant Heinz Glässgen fremd: Nur christliche Würdenträger dürfen am 25. November das neue Sendezentrum der kleinsten ARD-Anstalt segnen. Nach Stand der Recherche wäre es damit das erste nichtkirchliche Funkhaus der Bundesrepublik, das mit einer sakralen Handlung eröffnet würde. Der Schriftführer der bremischen Evangelischen Kirche, Renke Brahms, und, vor allem darauf dürfte Glässgen Wert gelegt haben, das geistliche Oberhaupt der Diözese Osnabrück, Franz-Josef Bode, sollen dort einen ökumenischen Gottesdienst abhalten.

„Im Funkhaus selber“, bestätigt Bistums-Sprecher Hermann Haarmann, das entspreche der ihm bekannten Planung. Noch unklar ist, ob die Räume auch mit Weihwasser besprengt werden. Nein, für überraschend habe man die Anfrage aus Bremen nicht gehalten, so Haarmann, „schließlich gehört Bremen zur Diözese“. Und für anstößig schon mal gar nicht.

Hermann Kuhn, grüner Bürgerschaftsabgeordneter und Mitglied des Rundfunkrates bewertet das allerdings anders. „Wenn man unbedingt einen Gottesdienst haben will, soll man damit in eine Kirche gehen“, sagt er der taz. Den Plan aber, im Sendezentrum selbst eine christliche Zeremonie durchzuführen, halte er „für völlig verfehlt“. Das sei mit „der Idee eines staatsfernen und überkonfessionellen Rundfunks im Kern unvereinbar“. Immerhin hätten rund 70 Prozent der Bevölkerung gar nichts mit Religion zu tun – eine so eindeutige Vereinnahmung des Senders durch Glaubensgemeinschaften widerspreche dem Auftrag einer unabhängigen Anstalt.

In einem offenen Brief an den Intendanten hat Kuhn deshalb gegen das Vorhaben protestiert. „Das Funkhaus von Radio Bremen ist keine Kirche, Radio Bremen ist kein christlicher Sender“, stellt er in dem Schreiben klar. Mit dem Brief, so heißt es weiter, bitte er er Glässgen „dringend, diese Planungen noch einmal zu überdenken“.

Nicht nur die säkulare Bremer Tradition, sondern auch die bundesweite Praxis spräche dafür: „Bei uns“, so informiert Ralph Coleman vom NDR salopp, „hat noch keiner getauft.“ Man habe „so weit zurückrecherchiert wie möglich“ – ein vergleichbarer Vorgang sei im Senderarchiv nicht dokumentiert. Ebenso war die Einweihung der neuen ZDF-Zentrale 1986 am Lerchenberg eine kirchenfreie Veranstaltung, wie aus Mainz zu erfahren ist. Und Mainz ist immerhin Bischofssitz.

Allerdings: Glässgen verweigert jede Stellungnahme. Und: Seine religiöse Sendung folgt keineswegs einer spontanen Eingebung. Schon in seiner Dissertation zum Thema „Katholische Kirche und Rundfunk“ kommt er 1980 zu dem Schluss, dass die Kirchen aufgerufen blieben, „sich mit allem Ernst und Gewicht“ der „Gestaltung der gesellschaftlichen Kommunikation zu widmen“. Die Deutsche Nationalbibliographie ordnet die Studie der „Sachgruppe 12: Christliche Religion“ zu. Gespeist ist sie aus „kirchlichen und staatlichen Archiven“. Und aus persönlicher Erfahrung: Schließlich war Glässgen von 1971 bis zu seinem Wechsel zum NDR im Jahr 1984 Angestellter der katholischen Diözese Rottenburg-Stuttgart: Er leitete deren Fachstelle Medienarbeit – und war ihr TV-Beauftragter. Aus der Zeit stammt auch der Großteil seines Fernseh-Schaffens. Als Glässgen 1999 in Bremen den Intendanten-Posten übernahm, konnte er auf einen Werkkatalog von drei Dokumentar-Filmen verweisen. Sie sind 1977 entstanden. Der erste heißt „Diözese Rottenburg – Württembergs katholische Kirche“, der zweite „Diözese Rottenburg – Gemeinde mit vielen Gesichtern“. Der dritte aber trägt den Titel: „Diözese Rottenburg – Über den Kirchturm hinaus“. Daraus scheint ein missionarischer Impuls zu sprechen, der nun in Bremen Blüten treibt.