Der schöne Charme des Schrägen

KARNEVAL DER KULTUREN

Am schönsten ist der Karneval doch gerade da, wo er unprofessionell ist

„Wie gewohnt“ soll der Karneval der Kulturen in diesem Jahr statt finden, verkündete Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) am Donnerstag, der Senat werde die Forderungen der beteiligten Gruppen erfüllen. Alles andere wäre auch mehr als peinlich gewesen: Da schmückt sich Berlin Jahr für Jahr mit einer Großveranstaltung, bei der Hunderttausenden BesucherInnen das weltoffene Berlin präsentiert wird, und gleichzeitig gab es bis jetzt nicht mal das Geld, um den Menschen, die da stundenlang auf den Umzugswagen ihre Darbietungen liefern, mehr als einen halben Liter Wasser pro Person zu bezahlen.

Diese Ankündigung bedeutet aber gleichfalls: Der Karneval wird auch in diesem Jahr nicht anders aussehen als bei den vergangenen Umzügen zu Pfingsten. Eine schlechte Nachricht für die, die sich schon genau darüber beklagen: Viel zu kommerzialisiert sei der Karneval, der reinste Caipi-Ballermann das Straßenfest, viel zu unpolitisch der Umzug. So spricht der korrekte Kreuzberger und bleibt an Pfingsten lieber am Schreibtisch, anstatt sich unter den Pöbel zu mischen.

Sicher: Die Möglichkeit, neben all den Bildern mehr Inhalte vermitteln zu können, täte dem Karneval gut. Doch gleichzeitig offenbart diese Kritik ein sehr beschränktes Verständnis davon, was politisch ist: In Zeiten von Pegida sollte niemand unterschätzen, welch politische Botschaft darin liegt, dass eine der bekanntesten und beliebtesten Berliner Veranstaltungen ein selbstorganisiertes Festival überwiegend migrantischer Gruppen ist, mit der sie sich die Möglichkeit geschaffen haben, selbst darüber zu entscheiden, wie sie ihre Kulturen präsentieren wollen.

Besorgnis auslösen sollte deswegen eher eine andere Ankündigung Kolats: Der Karneval stecke „konzeptionell noch in den Kinderschuhen“ und müsse in den nächsten Jahren dringend professionalisiert werden. Denn am Schönsten ist der Karneval doch gerade da, wo er unprofessionell ist. Natürlich nicht in dem Sinne unprofessionell, dass die TänzerInnen nicht genug Wasser bekommen, aber doch dort, wo die Kostüme manchmal so seltsam sind, dass niemand weiß, was sie eigentlich darstellen sollen, und dort, wo einer Gruppe für eine tatsächlich synchrone Darbietung offenbar einige Übungsstunden fehlten. Eine durchprofessionalisierte Veranstaltung, auf der nur noch qualitätsgeprüfte Gruppen auftreten können und jeder Handgriff stimmt, hätte dann wirklich nichts mehr von dem Charme, der den Karneval, Ballermann hin oder her, immer noch ausmacht. MALENE GÜRGEN