Vorsprung durch Sounddesign?

Techno heute – das ist für den einen oder die andere so etwas wie ein Widerspruch in sich. Rund zwanzig Jahre nach dem großen Knall in den Clubs kommt die einstige „Nichtmusik“ für viele Freunde der elektronisch gestützten Tanzhilfe nur noch als museale Referenz ins Spiel, deren gegenwärtige Ausformungen weniger Retro- als Stillstandstendenzen dokumentieren.

Dabei entwickelt sich der längst für tot erklärte stoische Vierviertelrumms beständig weiter, auch wenn man einschränken muss, dass beim Gegenwarts-Techno im engeren Sinne eher Verfeinerungs- als grundstürzende Neuerfindungsstrategien zu beobachten sind. Seit das öffentliche Interesse an Minimal Techno, der letzten großen Innovation des Genres, vor einigen Jahren stark nachgelassen hat, ist jedenfalls kein neuer Großtrend in Sicht.

Auffällig ist dafür die Bedeutung, die dem Sounddesign mittlerweile zukommt. Es geht den jungen wie alten Produzenten zunehmend um das hingebungsvolle Schrauben an den virtuellen Knöpfchen und Schiebern, von denen die Musiksoftware dieser Tage nur so strotzt. An der UdK zum Beispiel können Nachwuchselektroniker bei Professoren wie Robert Henke, Technopionier und Mitentwickler des Musikprogramms Ableton Live, den bewussten Umgang mit digitalen Klanggestaltungsmitteln erlernen.

Robert Henke alias Monolake geht es ganz entschieden nicht um technische Spielereien, sondern um eine Reflexion der eigenen Produktionsmittel. Damit steht er keinesfalls allein da, wie die Veröffentlichungen des jungen Berliner Labels Stroboscopic Artefacts zeigen. Ob es sich um die Platten des Betreibers Lucy oder seines Kollegen Xhin aus Singapur handelt – immer ist ein erklärter Wille zur minutiösen Klanggestaltung zu erkennen.

Das Schöne daran ist, dass man diese Musik bedenkenlos ebenso gut daheim hören kann. Unter den vielen Details versteckt sich allerhand an Nuancen, die mehr für das aufmerksame Ohr als für den mechanisch in Bewegung versetzten Körper gedacht zu sein scheinen. Der Auftrag zu tanzen gerät darüber aber niemals in Vergessenheit.

Solange sich die neuen Sounddesigner also nicht mit bloßer Oberflächengestaltung zufrieden geben und im Blick behalten, wozu sie die Grenzen ihrer Programme ausloten, dürften auch bei Techno weitere Entwicklungen zu erwarten sein – wie bei Xhin, der morgen im Berghain auflegt. TIM CASPAR BOEHME

■ Xhin: „Sword“ (erscheint bei Stroboscopic Artefacts), live: Berghain, Samstag, 23.59 Uhr