FEIN UND GROB
: Anekdote mit Brahms und Distinktion

Diese Arbeitslosen im Publikum, also, die würden ihn schon stören

Dienstags um 13 Uhr gibt es im Foyer der Berliner Philharmonie das „Lunchkonzert“. Kleine Besetzung. Eintritt frei. Regelmäßig kommen 1.500 Menschen, sitzen auf dem Fußboden und den Treppen und hören zu. Studenten, ältere Menschen, ganze Familien mit Kindern, Tagträumer. Vergangenen Dienstag erklang das Trio für Klavier, Klarinette und Violoncello von Brahms. Dazu von Brahms beeinflusste zeitgenössische ungarische Komponisten. Draußen fing es an zu schneien. Das war schön.

Und dann hörten wir jemanden auf einer Party sagen, früher sei er auch manchmal zu diesen Konzerten gegangen. Aber nun gehe er nicht mehr. Diese Arbeitslosen im Publikum, also, die würden ihn schon stören. Darauf nippte er, nur ganz kurz und mit perfekter Glashaltung, an seinem Wein.

Okay, Zeit, mal wieder Bourdieu rauszuholen, dachten wir. Zeit, daran zu denken, dass feine Unterschiede grob werden können. Distinktionsgewinne funktionieren eben nur durch Abgrenzung von den unteren Bevölkerungsschichten. Wenn man sich privilegierten Zugang nicht kaufen kann, ergibt das für solche Menschen keinen Sinn.

Aber eigentlich dachten wir was anderes. Eigentlich dachten wir ganz kurz: Arschloch! DRK