Ein Fluss aus Benzin

„Die Göttliche Odette“ wird unter der Ägide der evangelischen Landeskirche in Hannover uraufgeführt. Das Theaterstück soll Konflikte zwischen der christlichen und der islamischen Kultur an den Schulen austragen helfen

Ein Theaterstück im Theaterstück über den Krach der Kulturen, adressiert sind Schüler der neunten und zehnten Klassen – das hätte auch verdammt schief gehen können. Doch Zeyneb Ercevik wird in ihrem Aufsatz für die Politik AG einen lobenden Aufsatz über „Die göttliche Odette“ schreiben: „Ist doch super, wie die Kulturen gegenübergestellt wurden“, sagt die Deutsch-Türkin vom Herschelgymnasium in Hannover. Auch Christoph Dahling-Sander scheint nach der Generalprobe der „Odette“ im hannoverschen Klecks-Theater ganz zufrieden: Es gibt viel mehr als nur braven Applaus, sogar leichtes Jubeltampeln für die vier DarstellerInnen, die gerade im Auftrag der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers das Stück zum christlich-islamischen Dialog gestemmt haben. Und das mit so viel Leichtigkeit wie es bei diesem Weltthema eben geht.

Das Melodram solle „Scheintoleranzen im Alltag aufdecken und kritisch hinterfragen, wie geht das Zusammenleben weiter“, sagt Dahling-Sander. Der Leiter der kirchlichen Arbeitsstelle Islam und Migration schreibt sich auf die Fahne, etwas bislang in Deutschland Einmaliges geschaffen zu haben: Noch nie habe es ein derartig flächendeckendes Theaterprojekt einer Landeskirche gegeben. Die „Odette“, die gestern in der IGS Hannover-Linden Uraufführung hatte, bleibt keine Eintagsfliege: Das Stück soll bis 2009 im Auftrag der Kirche an 50 Schulen im Sprengel gegeben werden, Fortsetzung erwünscht.

Ja, die Liebe ist ein Herzbeben Stärke 23. So offenbart es Odette ihrer besten Freundin Gülay. Das Problem: Odette hat sich in Gülays Verlobten Jamal verknallt, beim Proben für das Schultheaterstück „Romeo und Julia“. Lehrer Lanz, Odettes Vater, sieht eine „Tragödie, die zur Seele geht“, kommen: „Zwischen den Sippen fließt ein Fluss aus Benzin, es herrscht ständige Entzündungsgefahr.“ Natürlich versucht der Vater, Odettes Zuneigung zum „Kameltreiber“ Jamal zu zerstören.

Das wird dramatisch: „Wenn ich über dich rede, wird Jamal rot wie eine Puffreklame“, schreit Gülay Odette an. Es wird ein bisschen wie auf dem Kirchentag: „Gib mir einen Unterschied, ich will ihn unterscheiden“, singen alle. „Ich bin für den Dialog der Kulturen / stoppt den Monolog der Sturen“, rappt Jamal. Es wird letztlich doch nicht zu christlich: „Jamal kann gut küssen“, sagt Odette, um ihren gläubigen Vater von ihrem Lover zu überzeugen. In der Bibel stehe doch auch „wenn dir jemand auf die linke Backe küsst, halt ihm auch die rechte hin“.

Der Berliner Autor Rolf Kemnitzer hat bei der „Odette“ zwei Klassikerfolien miteinander verwoben. Schon bei Shakespeares Drama erschwert der Hass ihrer Sippen den Verfallenen das Leben. Gleichzeitig wabert Lessings Nathan und der Streit der Weltreligionen stets untendrunter mit. Lehrreich ist auch das Begleitheft zum Theaterprojekt, das mit Textauszügen, Songtexten und Unterrichtsbausteinen Anregungen für die Weiterdrehe der hochaktuellen Klassiker liefert.

Kai Schöneberg