Schöner wohnen im Welterbe

Die denkmalgeschützten Siedlungen passen nicht zu allen Wohnansprüchen von heute. Doch es gibt auch echte Fans

Es gibt sie tatsächlich, die Enthusiasten der Moderne, die nicht nur „im Taut“ wohnen, sondern auch ihre Wohnung im Stil der 20er-Jahre einrichten. „Sie wissen gar nicht, wie schwierig es ist, einen Maler zu finden, der die Farbigkeit dieser Zeit umsetzen kann“, beklagte sich ein solcher Enthusiast auf der Veranstaltung „Wohnen im Welterbe – Wohnen im Museum?“ am Montagabend im Bauhaus-Archiv. Sein Wohnort: Bruno Tauts Siedlung Schillerpark in Reinickendorf, einer der sechs Berliner Kandidaten für die Welterbeliste der Unesco.

Neben dem Schillerpark hat die Bundesrepublik auch die Gartenstadt Falkenberg, die Hufeisensiedlung in Britz, die Wohnstadt Carl Legien in Prenzlauer Berg, die Weiße Stadt in Reinickendorf und die Großsiedlung Siemensstadt für die Unesco-Welterbeliste nominiert.

Unter den Mietern der sechs Siedlungen sind die Enthusiasten allerdings die Ausnahme, berichtet Bernhard Elias, Sprecher der Gehag, der die Hufeisensiedlung und Teile der Großsiedlung Siemensstadt gehört. Deshalb habe seine Wohnungsbaugesellschaft mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Die meisten Wohnungen haben nur ein oder eineinhalb Zimmer. Dafür aber fehlt die Nachfrage. „Um die Zusammenlegung von Wohnungen kommen wir nicht herum“, sagt Elias.

Die denkmalgeschützten Siedlungen passen nicht immer zu den Wohnansprüchen des 21. Jahrhunderts. Das weiß auch Senatsbaudirektorin Regula Lüscher und hatte daher mit der Gehag zum Architekturgespräch ins Bauhaus-Archiv geladen. Das Ziel: Konflikte möglichst im Vorfeld erkennen und die Diskussion mit den Mietern zu führen statt gegen sie. Allzu sehr ist Denkmalpflegern noch das „Kettensägenmassaker“ aus Prenzlauer Berg in Erinnerung. Als Grünanlagen der Wohnstadt Carl Legien in den ursprünglichen Zustand zurückgeführt werden sollten, gingen die Anwohner auf die Barrikaden. Sie wollten nicht einsehen, dass wegen des Welterbeantrags 190 Bäume gefällt werden. „Mehr Kommunikation“ wünscht sich daher Landeskonservator daher Jörg Haspel.

Reden zeitigt oft Erfolg, das weiß auch Hans-Jürgen Hermann, Vorstand der Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892. Die verwaltet seit dem Mauerfall auch wieder die Gartenstadt Falkenberg in Ostberlin. „Viele Mieter haben sich nach der Wende Türen von Obi und Plastikfenster eingebaut“, sagt Hermann. „Nach drei oder vier Jahren aber haben wir die Leute überzeugt, der Widerstand ließ nach. Die Leute wissen inzwischen, wo sie wohnen.“ Leerstand gibt es in Falkenberg nicht.

Aber auch in Hermanns Genossenschaft weiß man, dass vor allem der demografische Wandel Probleme mit sich bringt. „Die Menschen werden älter, können nicht mehr gut laufen, sie wollen ins Erdgeschoss, Wohnungen müssen rollstuhlgerecht ausgebaut werden.“ Immerhin: Der Umbau für eine betreute Wohngemeinschaft für Demenzkranke im Schillerpark hat funktioniert. Gemeinsam mit der Denkmalschutzbehörde hat man Rollstuhlfahrern den Zugang zu einer Erdgeschosswohnung gesichert, ohne das architektonische Erbe zu gefährden.

Wohnen im Denkmal, das ist, wie es Hermann nennt, das „Bohren dicker Bretter“, und manchmal sogar eine „Mund-zu-Mund-Beatmung“. Doch es gibt auch einen Gegentrend, berichtet Bernhard Elias aus der Hufeisensiedlung. „Viele junge Familien wollen die Reihenhäuser kaufen“, freut sich Elias. „Die wollen oft auch den alten Zustand wieder herrichten.“ Die Enthusiasten sind vielleicht doch auf dem Vormarsch. UWE RADA