Universalität plus Unterschied

Kwame Anthony Appiah ist Kosmopolit und lehnt den Kampf der Kulturen ebenso ab wie Multikultirelativismus

Auch Begriffe haben manchmal verschlungene Karrierewege. So hat etwa Huntingtons Kampfansage, sein Wort vom „Kampf der Kulturen“, auch seinem schärfsten Gegenbegriff Aufwind verschafft: dem Begriff der Vermischung, der Hybridität von Kulturen. Dies ist wohl eines der zentralen gegenwärtigen Konzepte. Es dient als Instrument zur Analyse dessen, was aufgrund von Massenmobilität und Migration längst Realität ist.

Aber die Rede von der Hybridität ist nicht nur Bestandsaufnahme, sie ist ebenso sehr aktive Intervention in ebendiese Realität – ein Eingriff, der die so beschriebene Realität auch verändern soll. Unter diesem Aspekt ist eine Neuerscheinung dieses Herbstes zu betrachten.

Kwame Anthony Appiahs Buch „Der Kosmopolit. Philosophie des Weltbürgertums“ steht ganz im Zeichen der Vermischung. Zum einen repräsentiert der Autor selbst eine ebensolche, ist er doch – heute Philosophieprofessor in Princeton – halb ghanaischer, halb englischer Herkunft. Geboren in London als Sohn einer Britin und eines Afrikaners, aufgewachsen in Ghana, studierte er in Cambridge. Diese Herkunft und Lebensgeschichte bietet in Bezug auf sein Thema zweierlei Vorteile.

Zum einen kann Appiah immer wieder afrikanische Beispiele bringen, die weder auftrumpfend noch ressentimentgeladen sind, dafür aber völlig unbekannte und unerwartete Einblicke in das moderne afrikanische Leben gewähren. Zum anderen entwickelt er daraus einen Typus, mehr noch eine Lebenshaltung, den titelgebenden „Kosmopoliten“ eben. Diesen sieht er als Einspruch sowohl gegen die Vorstellung vom „Kampf der Kulturen“ als auch gegen den Multikultirelativismus. Der Kosmopolit hingegen soll nicht weniger als das „Menschenbild für das 21. Jahrhundert“ abgeben.

Die Vermischung ist dabei eine sehr spezielle, denn Appiahs Weltbürger ist nicht nur der „gewaltigen Abstraktion Menschheit“ verpflichtet, sondern auch der Treue zu seiner Nation, Rasse oder Klasse. Einen partialen und parteilichen Kosmopolitismus nennt Appiah dies, ein Weltbürgertum, das „Universalität plus Unterschied“ ist. Das Modell dafür liefert der reisende Engländer des 19. Jahrhunderts, genauer der viktorianische Abenteurer Sir Richard Francis Burton. Dessen kosmopolitisches Motto lautet: „Ich will schon Engländer sein, aber ich möchte auch andere Sichtweisen kennenlernen.“

Dieser Rückgriff auf eine zutiefst bürgerliche Figur, das freundliche Antlitz des Kolonialismus, als Ideal für das 21. Jahrhundert zeigt bereits die Achillesferse des Konzepts. Diese enthüllt sich restlos, wenn der Weg, in dem der Weltbürger sein Weltbürgertum lebt, das – Bingo! – Gespräch ist. So ist auch das Buch selbst in seinem sehr zurückhaltenden Ton – eine Wohltat in diesem Bereich, wo meist Aggression und Ressentiment vorherrschen – und seiner konzisen Argumentation so etwas wie eine Einladung zum Gespräch.

Dieses Gespräch, notabene das höfliche Gespräch, soll uns also retten. Das ist eine sympathische Vorstellung, aber kann man diese auch ernst nehmen? Immerhin hat Appiahs Konzept gegenüber verwandten hoffnungslosen Appellen einen Vorteil, es bietet eine unerwartete Volte: Das Ziel des Gesprächs soll keine rationale Übereinkunft, kein Konsens sein. „Es genügt, wenn das Gespräch den Menschen hilft, sich aneinander zu gewöhnen.“ Nicht überzeugen, nicht tolerieren – nur an das Fremde gewöhnen. Die angelsächsische Nüchternheit hat tatsächlich was! ISOLDE CHARIM

Kwame Anthony Appiah: „Der Kosmopolit. Philosophie des Weltbürgertums“. Aus dem Englischen von Michael Bischoff, Verlag C.H. Beck, München 2007, 222 Seiten, 19,90 €