Langsame Selbstzerfleischung

Psychogramm eines gestürzten arabischen Machos: „Das Geständnis des Fleischhauers“ von Hussain Al-Mozany

Paranoia – so könnte man das Lebensgefühl des Fleischhauers Sirhan al-Rubayi beschreiben. Ein Iraker aus Deutschland – ständig auf der Flucht vor sich selbst, die ihn allerdings eine Folge geplanter Machenschaften dünkt. „Natürlich wusste ich, dass zwischen diesen Unglücken, die mich trafen, keine Verbindung bestand, dennoch wirkte das Zufällige, das sie verband, wie eine handfeste Verschwörung, um mich zu vertreiben, zu enthausen, ins Nichts zu werfen, Klimp, seine Frau, mein verstorbener Freund, meine Frau und ihre Mutter.“ So beschreibt der entwurzelte Fremdling seine gestörte Wahrnehmung in Hussain Al-Mozanys neuem Roman, „Das Geständnis des Fleischhauers“.

Der Autor wurde 1954 im südirakischen Amara geboren. Er wuchs in Bagdad auf. 1978 ging er nach Libanon, wo er als Journalist arbeitete. Seit 1980 lebt er in Deutschland. Er veröffentlichte zahlreiche Erzählungen und Romane in arabischer Sprache. Auf Deutsch erschienen von ihm die Romane „Der Marschländer“ und „Mansur oder der Duft des Abendlandes“.

Wie die beiden vorausgegangenen Romane ist auch „Das Geständnis des Fleischhauers“ eine Gratwanderung auf der Schnittstelle zwischen Okzident und Orient. Eine Gratwanderung auf Messers Schneide, die den vertriebenen, haltlosen in Deutschland lebenden Iraker in einen langsamen Selbstzerfleischungsprozess treibt. Absurd, grotesk, verloren. Es ist die Geschichte des psychischen Zerfalls eines nirgends Verorteten, der zu Selbstkritik und Selbstreflexion völlig unfähig ist und der sein Elend fast logischerweise in einem letzten Befreiungsschlag besiegelt: dem Mord an seinem befriedeten, saturierten Gegenbild und Vorgesetzten, dem Kölner Großbürger Klimp.

Es ist auch die Geschichte gestörter Männlichkeit, die sich zwischen latent revolutionärem Drang, Aggression und unkontrollierten Wahnvorstellungen bewegt. Völlig beziehungsunfähig und gerade deshalb paranoid. Ein zugegebenermaßen karikierendes Bild des gestürzten Machos, wie er im arabischen Kulturkreis jedoch nicht selten anzutreffen ist. Hussain al-Mozanys Roman schreibt von narzisstisch gekränkter Männlichkeit jenseits aller sozialen Koordinatensysteme, was auch an todessehnsüchtige Selbstmordattentäter oder wütende Fundamentalisten denken lässt.

Hussain al-Mozany beschreibt das Leben zwischen zwei Kulturen, nachdem die arabische Kultur durch Krieg, Terror und Flucht völlig aus den Fugen geraten ist. Der Fleischhauer hält sich zuletzt in Ägypten auf. Eine kleine Annäherung an alte Wurzeln. Aber auch diese endet im Knast. Vorangetrieben durch das lauernde Misstrauen eines repressiven arabischen Polizeistaats, aber auch durch die eigene Unbeholfenheit. Der Roman handelt auch von der derben Suche nach der Frau, einem letzten versöhnlichen Akt. Auch dieser scheitert zwangsläufig.

So undramatisch und beiläufig wie das Mordgeständnis des Fleischhauers ist auch die Sprache Hussain al-Mozanys, unpathetisch, emotionslos. „Ich fand meine Ruhe, meine wahre Ausgeglichenheit durch das Ausschalten Klimps. Welche Erleichterung, welche Befreiung, das fremde Blut.“ Blumig sind in dem Buch allenfalls einige arabische Redewendungen. Diese sprachliche Beiläufigkeit verdichtet die unversöhnliche Erzählung vom Verlierer zwischen den Kulturen.

Sicherlich keine leichte Kost, aber ein spannendes Psychogramm. EDITH KRESTA

Hussain Al-Mozany: „Das Geständnis des Fleischhauers“. Hans Schiler Verlag, Berlin 2007, 239 Seiten, 22 €