: „Die Angst überlagern“
KREBSTHERAPIE Die „Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr“ berät Menschen, die zusätzlich zur Schulmedizin etwas für ihre Genesung tun möchten. Zwei Mitarbeiterinnen erzählen von ihren Konzepten und Erfahrungen
■ 61, berät Krebspatienten und leitet nach ihrer eigenen Erkrankung Kurse in Qigong und gesunder Ernährung. Foto: KATHARINA GIPP
INTERVIEW KATHARINA GIPP
taz: Frau Trautmann, Frau Keller, was sind die beliebtesten komplementären Krebs-Heilmethoden?
Jutta Trautmann: Das ist schwer zu sagen, denn jede Krebserkrankung ist individuell und verlangt ihre eigenen Methoden. Da gibt es einerseits Lebensstil-Faktoren, wie beispielsweise eine ausgewogene Ernährung, Bewegung und ein emotionaler Ausgleich. Auf der anderen Seite können aber auch biologische Präparate Erfolge in der komplementären Krebstherapie erzielen. Immer häufiger nachgefragt werden etwa die anthroposophische Misteltherapie und Methoden zur direkten Aktivierung des Immunsystems.
Wie kann bei einem Krebspatienten ein emotionaler Ausgleich geschaffen werden?
Angela Keller: Krebspatienten kennen negative Gedankenstrukturen nur zu gut. Gedanken wie „Das schaff ich sowieso nicht“ können aber durch positive Vorstellungen ersetzt werden.
Trautmann: Dabei sollten diese positiven Gedankenstrukturen so stark sein, dass sie angsteinflößende Situationen innerhalb einer Krebstherapie überlagern können. Vor allem die Bestrahlung macht vielen Menschen Angst: Sie liegen ganz allein in einem kalten, gepanzerten Raum und das Gerät fährt über sie und surrt.
Was verbirgt sich hinter der anthroposophischen Misteltherapie?
Trautmann: Der Ansatz jener Therapieform besteht darin, gleiches mit gleichem zu bekämpfen. Die Mistelpflanze lebt schmarotzermäßig an Wirtsbäumen, wie Krebszellen innerhalb des menschlichen Körpers. Klinische Studien haben der Pflanze eine in fast allen Fällen heilende Wirkung nachgewiesen.
Wonach wird entschieden, welche Heilmethode für einen Patienten die Richtige ist?
Trautmann: Die Entscheidung liegt beim Patienten selbst. Wir können nur versuchen, einen Überblick über mögliche Behandlungsalternativen innerhalb der biologischen Medizin zu geben.
Wer nimmt das Beratungsangebot der Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr wahr?
Trautmann: Es handelt sich in der Regel um Menschen, die selbst tätig werden und sich offen mit der Behandlung auseinandersetzen wollen, um die Selbstheilungskräfte zu stärken.
Keller: Es ist schließlich auch ein Gefühl der Hilflosigkeit, sich den Ärzten in der Behandlung so ausgeliefert zu wissen. Etwa 40 Prozent der Patienten, die uns aufsuchen, wollen die verschiedenen Möglichkeiten komplementärer Heilmethoden aufgezeigt bekommen. Der Rest sucht das Gespräch mit jemandem, der Erfahrung mit dem Thema hat.
Trautmann: Wir beide waren auch selbst Krebspatientinnen. Das ist etwas, was den Patienten, die zu uns kommen, enormen Mut macht und sie beruhigt. Auch ich habe eine Strahlentherapie hinter mir und weiß, wie es sich anfühlt. So kann ich vermitteln und den Patienten helfen, dass es ihnen trotz schwerer Krankheit besser geht.
Ist das etwas, was klassische Schulmediziner nicht leisten können?
■ 57, die Krebsberaterin war selbst von der Krankheit betroffen und ist Heilpraktikerin für Psychotherapie.Foto: KATHARINA GIPP
Keller: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Ärzte oft zu wenig Zeit haben, um in einem Patientengespräch alle Fragen beantworten zu können. Wir sind dann die Auffangstation für Fragen, die später aufkommen.
Trautmann: Wobei aber ganz klar ist, dass wir keine medizinischen Fragen beantworten können. In solchen Fällen versorgen wir die Patienten mit Adressen von spezialisierten Medizinern.
Muss ein Patient an komplementäre Therapien glauben, damit sie wirken?
Keller: Das gilt nicht nur für die komplementäre, sondern auch für die Schulmedizin. Die Überzeugung, dass etwas wirkt, ist oft die halbe Miete. Selbst die rationalsten Menschen sind bei einer Krebsdiagnose geneigt, etwas Unbekanntes auszuprobieren.
Wann sprechen Sie von einem Erfolg in ihrer Arbeit?
Keller: Ich sehe meine Fähigkeit darin, den Menschen anzuregen, seinen eigenen Heilungsweg zu finden. Wenn er ihn gefunden hat, befreie ich mich aber vom Erfolgsdruck. Niemand weiß, wie es ausgeht, und Heilung kann auf sehr unterschiedliche Weise verlaufen. Wir würden gerne sagen: „Da hat es die komplementäre Heilmethode geschafft!“, aber nebenbei wurde vielleicht auch eine Chemotherapie durchgezogen und der Patient hat den kompletten Lebensstil verändert.
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