DAS SCHLOSS (3)
: Jeder Schlüssel

Ich hatte ja selbst ungläubig auf den Schlosser geblickt

Unsere Haustür war jetzt wieder ab-, aber auch aufschließbar. Dank des Knaufs. Ich rief in der Aboabteilung an und sagte, dass man dem taz-Verteiler die Weisung geben solle: Es passt jeder Schlüssel, er müsse das nur ausprobieren. Jeder Schlüssel?, fragte die Abodame ungläubig. Jeder Schlüssel, sagte ich.

Die Nachricht brauchte eine Weile, um anzukommen. Heißt, auch die taz brauchte eine Weile, um anzukommen. Ich rief noch einmal in der Aboabteilung an; es stellte sich heraus, dass die Dame den Satz mit dem Schlüssel nicht verstanden hatte. Wie auch? Ich hatte ja selbst ungläubig auf den Schlosser geblickt, als der mir dieses Prinzip vertickt hatte.

Aber eines schönen Morgens war sie wieder da, die Zeitung. Ich rief erneut an und bedankte mich; die Dame war überrascht, dass der Zusteller so schnell geschaltet hatte. (Ich fragte mich, wohin die Zeitungen verschwunden sind, die nie angekommen sind – vom Winde in ein Paralleluniversum verweht, das sich über eine Zeitung freute, nehme ich an.)

Danach saß ich zufrieden in der Küche und hörte Flux FM, der vormals als Motor FM firmierte und den Namen jetzt angeblich aus Angst vor Urheberrechtsstreitigkeiten mit einem Automagazin geändert hatte. Und dann trat einer der Moderatoren auf und erzählte, wie es ihm am Morgen gegangen war. Nicht so gut nämlich. Er wohne ja in Kreuzberg, erzählte er, irgendwo im Wrangelkiez, und da sein Haustürschloss eben nicht abschließbar wäre, sondern einfach so zufalle und wieder aufzudrücken sei, würde des Öfteren jemand im Treppenhaus nächtigen und sich auch regelmäßig unweit seines Schlafplatzes erleichtern. Und zwar „groß“. Ich musste grinsen. Es schien ein stadtbekanntes Problem zu sein. Vielleicht hilft da ein Knauf und ein Schloss, in das jeder Schlüssel passt. Jeder Schlüssel? Jeder Schlüssel. RENÉ HAMANN