WOLFGANG GAST LEUCHTEN DER MENSCHHEIT
: Mit Trojanern wäre das nicht passiert

Schöne neue Welt: Keine zwei Wochen nachdem der Chaos Computer Club (CCC) erstmals eine entschlüsselte Version des Staatstrojaners veröffentlichte, wird eine weitere Variante der Schnüffelsoftware bekannt. Der neue Wurm soll noch besser – heißt wohl: effektiver – die Rechner Verdächtiger ausspähen. Legal, illegal? Nun, wer weiß das schon.

Was den Strafverfolgern neuerdings zur Bekämpfung der Kriminalität recht ist, ist den Geheimdienstlern aller Länder schon lange billig. Erinnert sei nur an den Bundesnachrichtendienst, der vor drei Jahren auf der Suche nach Talibankontakten mal eben die Rechneranlage eines afghanischen Ministeriums in Kabul komplett verwanzte. Dummerweise flog die Sache auf. Die Einsicht aber bleibt: Technik macht heute möglich, was früher ungemein aufwendig zu bewerkstelligen war – vor allem bei Verrat, Spionage oder Intrigen. Damals war noch Handarbeit, heute ist Maschine.

Wie mühsam das Geschäft früher sein konnte, lässt sich im jüngst erschienenen Band „Der Überläufer. Das letzte Kapitel“ (Spotless im Verlag Das Neue Berlin) von Robert Allertz nachlesen. Der Autor erzählt die bizarre Geschichte von Hansjoachim Tiedge, dem früheren Abwehrchef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, der 1985 in die DDR „überlief“ und dort sein Wissen über die westdeutsche Spionageabwehr offenbarte.

In „Das letzte Kapitel“ geht es vor allem darum, welche bemerkenswerte Folgen es hatte, als die Memoiren des im April verstorbenen Tiedge veröffentlicht werden sollten. Polizisten suchten rund 700 Buchhandlungen auf, Manuskript und Druckunterlagen wurden beschlagnahmt. Als der Text im Internet auftauchte,wurde ein Verfahren wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat eingeleitet, das freilich später zur Blamage der Schlapphüte (West) mit Freispruch endete.

So war das damals. Und heute? Trojaner schreiben keine Memoiren.

Wolfgang Gast ist Redakteur der taz Foto: privat