LESERINNENBRIEFE
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Gehört das auch zur Toleranz?

■ betr.: „Es geht im Intaktheit“, taz vom 7./8. 2. 15

Es gibt also Menschen, die gerne Folterungen veranstalten und Gefangener oder Gefängniswärter spielen. Sie haben Freude daran und die Spiele finden auf der Basis gegenseitiger Übereinkunft statt. Insofern ist das nichts Schlimmes, wird einem in dem Interview mit Jan Soldat wissenschaftlich bewiesen. Sicher werden die sich so Amüsierenden keine Gefängniswärter in Guantánamo werden. Aber zum harmlosen Spiel taugen Folter und Qual nicht. Wenn manche das brauchen, schlimm genug. Deswegen ist das noch lange nichts Gutes und ich will darüber auch nicht in der taz lesen, schon gar nicht mit dem Unterton, das gehört jetzt auch zur Toleranz, dass man Folterspiele okay findet. CORNELIA KELLERER, Boos

Pelze nur vom Wildtier

■ betr.: „Ist Pelz wieder okay?“, taz vom 7./8. 2. 15

Wer einmal im Fernsehen gesehen hat, wie von Natur aus wilde Tiere in engen Käfigen gehalten und anschließend mehr schlecht als recht totgeschlagen werden, muss gegen solche Pelze sein. Was ist aber mit den indigenen Jägern, den Inuit und den Trappern, die sonst keine andere Erwerbsmöglichkeit haben und die Jagd traditionell seit Generationen betreiben? Sie betreuen oft ein Revier von etlichen hundert Quadratkilometern und jagen nachhaltig. Da man alle Pelze in einen Topf wirft, ist für diese Menschen der Pelzmarkt zusammengebrochen. Ihnen bleibt dann nur noch die Sozialhilfe, mit ihren Folgen von Suff und Selbstmord. So haben die Peta-Aktionen zwar viele Tiere gerettet, aber auch Menschenleben gekostet und soziale Strukturen zerstört. Also das Halten von Wildtieren zum Pelzerwerb verbieten und durch die Jagd erlegte Tiere, speziell von indigenen Völkern, fördern. CHRISTOPH KROLZIG, Öhningen

Weg mit der Schreibschrift

■ betr.: „Ist die Schreibschrift überflüssig?“, taz vom 31. 1./1. 2. 15

Sowohl die Kalligrafin als auch die beiden Schriftsteller tun so, als ob die Schulkinder mit dem Wegfallen der Schreibschrift überhaupt nicht mehr schreiben könnten! Dabei fordert doch nun wirklich kein Mensch die Abschaffung der Schrift im Allgemeinen, sondern lediglich die der Schreibschrift! Ohnehin sollte man spätestens beim Lesen der handverfassten Texte der Herren Walser und Brügelmann die Sinnhaftigkeit der Schreibschrift hinterfragen.

Auf progressive Ideen wie die Ersetzung der Schreibschrift durch das Tastschreiben folgen in Deutschland leider immer die gleichen Reaktionen: „Alte Männer“ melden sich zu Wort und fürchten um Tugend- und Kulturverfall. Herr Walser spricht gar von „Barbarei“ und nennt das ganze „kulturlos“. Herr Rubinowitz merkt an, man könne mit einer Maus nicht unterschreiben. Vielen Dank dafür! Dann sollte man ihm aber auch sagen, dass man mit einem Füller auch nicht programmieren kann! Und wer nicht programmieren kann, wird nie größere Zusammenhänge in unserem informationstechnischen Zeitalter begreifen und disqualifiziert sich damit für jegliche Debatten, die unsere zukünftige Gesellschaft betreffen!

TOBIAS LETTENMEIER, Wilhermsdorf

Unsensible Psychotherapie

■ betr.: „Homophobie. Die Behandlung“, „Ungetrübt von Sachkenntnis“, Leserinnenbrief, taz vom 16. 1. und 23. 1. 15

Als psychologische Psychotherapeut_innen müssen wir uns der Tatsache stellen, dass von Vertreter_innen unserer Profession lesbischen, schwulen, bisexuellen, queeren und trans* Personen, die sich auf der Suche nach Unterstützung und Begleitung an Fachkolleg_innen gewandt haben, manches Mal nicht gut und sensibel begegnet wurde. Wir machen Fehler. Und wir sind im Umgang mit minorisierten Klient_innen, wenn wir uns nicht selbst eigeninitiativ um eine entsprechende Weiterbildung bemühen, durch unsere Grundqualifikationen als Psychoanalytiker_innen, Tiefenpsycholog_innen oder Verhaltenstherapeut_innen nicht gut qualifiziert. Vor dem Hintergrund mangelnden Fachwissens und zum Teil auch problematischen Theoriegebäuden bilden sich Vorurteile, die so stark sein können, dass sie die Möglichkeiten, auf die Lebenswirklichkeiten von Klient_innen einzugehen, deutlich beeinträchtigen können.

Speziell in der psychoanalytischen Theorie gibt es eine nicht evidenzbasierte, aber historisch recht durchgängige Verknüpfung von männlicher Homosexualität mit einem recht weit gefassten Narzissmuskonstrukt. Dies ist durchaus als Stigmatisierung schwuler Lebensweisen zu verstehen, die den Boden dafür bereitet, einen schwulen Lebensentwurf in einer Psychotherapie als weniger glücklich als einen heterosexuellen zu konstruieren.

Wir müssen als Psychotherapeut_innen immer wieder das, was uns als „Wissen“ vermittelt wurde, dahingehend hinterfragen, ob es uns ermöglicht, Menschen zu verstehen und sie unterstützen zu können. Hilft das Wissen nicht mehr, sondern verbaut den Blick auf die individuellen Bedeutungshorizonte und Lebensentwürfe von Menschen, ist es revisionsbedürftig. Fehlt Wissen, muss es aufgebaut werden. Hier tut sich ein weites Feld auf für die psychotherapeutischen Fortbildungsinstitute, endlich Themen wie sexuelle Orientierungen und Genderidentitäten fundiert, fachlich korrekt und auch sensibel für das diskriminierungsbedingte Leiden, welches Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Trans*Personen auch in psychotherapeutischen Settings zugefügt wurde und wird, zu unterrichten. Mit dem Ziel, dass queere Menschen in Zukunft sicher sein können, dass sie, wenn sie sich für eine Psychotherapie entscheiden, auch ein fachkompetentes Gegenüber haben. GISELA WOLF, Berlin