LESEBRIEFE
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Sexistisch und oberflächlich

■ Betr.: „Pionierin der Moderne“, taz vom 15. 10. 2011

Lieber Herr Fischer, ich habe mit wachsendem Ärger Ihren Artikel über Oda Krogh gelesen. Dass Sie die patriarchalische Kunstgeschichtsschreibe damit einfach fortschreiben, ist bedauerlich. Dass Sie den etablierten Wertekatalog, wann ein Bild Qualität besitzt, fraglos übernehmen, ist mehr als bedauerlich. Dass Sie die Mühe nicht auf sich nehmen, zu recherchieren, welche Bedeutung die Kunst und die Sujets für eine Malerin und Mutter von vier Kindern hat, die demonstrativ täglich mit den vom patriarchalischen Gesellschaftssystem zugewiesenen Rollenverständnis bricht, ist fahrlässig. Mit Ihrer sexistischen und oberflächlichen Lesart können Sie dem Werk dieser Künstlerin natürlich keine neue Perspektive abgewinnen und Ihren Betrachtungshorizont erweitern. (...) Inken Steen

Schulsystem – klar zum entern

■ Betr.: „Schule denen, die drin lernen“, taz 21. 10. 2011

Endlich erfährt die rot-grüne Bildungspolitik den schon lange fälligen öffentlichen Widerspruch – den SchülerInnen sei Dank.

Mit der Verabschiedung des sog. Schulkompromisses hat der rot-grüne Senat die klassischen Fehler sozialdemokratischer Bildungspolitik wiederholt: Anstatt auf innere Schulreform mit starker Eigenverantwortung der in den Einrichtungen lehrenden und lernenden Subjekte zu setzen, hat sie eine Reform der organisatorischen Hüllen mit zentralistisch verordneten und steuernden Mechanismen gesetzt. Viele Aufgaben und Versprechungen wurden formuliert, sie werden jetzt durch die Zentralverwaltung interpretiert und den Schulen verordnet. Dass das alles Geld kostet, wurde geflissentlich übersehen – diesbezüglich erinnert das Verhalten des Senats an einen Kaufsüchtigen, der sich den Einkaufswagen ohne Gedanken auf die Bezahlung vollpackt. Die Widersprüche, die ein solches Vorgehen in einem ohnehin unterfinanzierten System hervorruft, brechen jetzt zunehmend auf. Eine Umverteilung von 20 Stellen führt in einem System mit über 4.000 Vollzeitstellen zu solchen Eruptionen, wie wir sie aktuell wahrnehmen.

Von den Sozialdemokraten sind die Menschen ein ideologisch ausgerichtetes und rechthaberisches, die Beteiligten entmündigendes Vorgehen seit über sechzig Jahren gewohnt. Mit der Ablösung der sehr Großen Koalition war bei mir die Erwartung verbunden, dass Bildungspolitik wesentlich stärker auf die Eigenverantwortung der handelnden Subjekte und damit auf eine systematische innere Schulreform setzt. Geblieben ist der alte Zentralismus mit seinen austauschbaren Inhalten.

Die Grünen sind nun mittlerweile seit einigen Jahren nur noch punktuell, nicht aber systematisch programmatisch in der Bildungspolitik wahrnehmbar, obwohl der Bildungsbereich eine Schlüsselrolle für eine nachhaltige, sozial/ökologisch ausgerichtete Entwicklung in unserer Gesellschaft spielt. Wer so fahrlässig mit seinen politischen Schlüsselfeldern umgeht, braucht sich nicht zu wundern, wenn er enteranfällig wird. Helmut Zachau