Knapp an der Blamage vorbei

FRANKREICH Zwar gewinnt ein Sozialist die Stichwahl um das Abgeordnetenmandat in der Region Doubs. Doch freuen kann sich nur der Front National

Die Solidarität der „Ich bin Charlie“-Bewegung vom Januar ist längst verpufft

AUS PARIS RUDOLF BALMER

Am Ende war es enger als erwartet. Mit 51,43 Prozent der Stimmen hat der Sozialist Frédéric Barbier in einer Stichwahl gegen die Front-National-Kandidatin Sophie Montel im ostfranzösischen Doubs einen Abgeordnetensitz erobert. Das Ergebnis ist – mit ein paar hundert Stimmen Vorsprung bei 55.000 Wahlberechtigten – viel knapper, als es auf den ersten Blick aussieht. In Wirklichkeit hat die Regierungspartei nur haarscharf eine Blamage vermieden.

Denn diese Nachwahl, die notwendig geworden ist, weil Pierre Moscovici als EU-Kommissar nach Brüssel ging, hat vor allem gezeigt, dass in Frankreich der Anteil der Wähler, die keine Berührungsängste mit der extremen Rechten mehr haben, sich der 50-Prozent-Grenze nähert. Und anders als früher kann die Linke in einem Wahlduell mit Rechtsaußen bei der bürgerlichen Mitte nicht mehr auf eine aktive oder stillschweigende Schützenhilfe zählen, die eine klare Mehrheit garantiert.

Noch am Sonntag hatten viele Wahlbeobachter gedacht, die gestiegene Wahlbeteiligung (im Vergleich zum ersten Durchgang) werde fast automatisch dem sozialistischen Finalisten nützen. Er lag vor einer Woche mit vier Prozentpunkten hinter der rechten Konkurrentin zurück, durfte aber auf die Unterstützung der ausgeschiedenen Kandidaten hoffen. Nun hat sich herausgestellt, dass die extreme Rechte ebenfalls über beträchtliche Reserven verfügte. Ein wesentlicher Teil der Sympathisanten des ausgeschiedenen Kandidaten der konservativen UMP hatten keine Skrupel, für eine aggressiv fremdenfeindliche Partei zu stimmen, die mit einer islamfeindlichen Stimmungsmache und der instrumentalisierten Angst vor Terroristen in den Wahlkampf gezogen war.

Peinlich ist dieser Wahlausgang darum auch für UMP-Chef Nicolas Sarkozy. Seine Partei hatte sich mit einer „Weder-noch“-Parole um eine wahre Entscheidung gedrückt, oder schlimmer noch, den eigenen Wählern gesagt, es mache nichts, wenn der FN gewinne. Diese vermeintliche Neutralität gegenüber zwei politischen Gegnern (Linke und FN) bedeutet eine Kapitulation vor dem rechten Parteiflügel, der sich ideologisch längst rechtspopulistischen Positionen angenähert hat. Die UMP bleibt deswegen intern gespalten. Diese lokale Nachwahl belegt, dass die Partei von Marine Le Pen durchaus in der Lage ist, mit Zuzug aus dem bürgerlich-rechten Lager – und übrigens auch mit Stimmen vieler enttäuschter Linkswähler – Wahlen zu gewinnen.

Nur noch am Rande wird konstatiert, dass der Elan der breiten Solidarität der „Ich bin Charlie“-Bewegung längst verpufft ist. Die nationale Eintracht der Mobilisierung von Millionen für die demokratischen Grundrechte der Republik war am 11. Januar in Paris eine spontane Reaktion gegen die Barbarei des Terrorismus. Geblieben sind davon im fernen Département Doubs nur die hässlichsten Nebentöne, welche die Rechtsextremisten über ihren Propagandalautsprecher verbreiten: die Angst, der Neid und der Fremdenhass.

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