LESERINNENBRIEFE
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Ein Sack Reis in Neukölln

■ betr.: „Provinz in der Hauptstadt. Rot vor Fremdscham“ von Uli Hannemann, taz vom 19. 10. 11

Hallo, diesen Artikel über die Berliner „Abendschau“ kann ich nur bestätigen! Mir ist keine andere Nachrichtensendung bekannt, die zum Beispiel für einen Bericht über eine Demo mit über 10.000 TeilnehmerInnen nur lächerliche 30 Sekunden übrig hat! Stattdessen berichtet die „Abendschau“ doch lieber minutenlang über so „wichtige Themen“ wie „Hundekot in der Stadt“, „GrillerInnen im Tiergarten“, „Eisbär XY verstauchte sich den Fuß“, oder „engagierte BürgerInnen warfen mit vereinten Kräften einen Sack Reis in Neukölln um“!

Angesichts der „Hofberichterstattung mit parteipolitischer Einfärbung“ in der „Abendschau“ kann man nur zu dem Ergebnis kommen, dass selbst die eine oder andere Sendung des Offenen Kanals (ALEX) mehr Information und Unterhaltung bietet als die „Abendschau“. ROLF SCHULZ, Berlin

Eine Kiste voller Kämme

■ betr.: „Normalzeit. Das Jerusalem-Gefühl im U-Bahnhof Alexanderplatz“ von Helmut Höge, taz vom 11. 10. 11

In Ihrem Artikel sprechen Sie davon, dass sich die nur noch „bodygebuildeten Beamten“ in ihrer Intelligenz nicht von Türstehern unterscheiden würden, früher nur Serien wie „Derrick“ und „Der Alte“ schauten und heute nur noch „CSI New York“ usw. und sich davon inspirieren lassen würden. Auch sprechen sie von der Blödheit dieser Staatsorgane.

Dazu möchte ich Folgendes anmerken: Ich bin weder bodygebuildet noch Anhänger oder Bewunderer von Türstehern. Ich habe nie die genannten Serien gesehen oder mich gar von ihnen inspirieren lassen. Ich bin seit 1993 in Berlin Polizist. Einige Jahre davon Streifenpolizist in Prenzlauer Berg und seit einigen Jahren Verkehrspolizist. In dieser Zeit habe ich etliche Leichen unter Lkws hervorgezogen, vergewaltigte und brutal ermordete Kinder und Frauen vor meinen Augen sterben sehen, verzweifelten Menschen beim Selbstmord zusehen müssen und von Hunden zerrissene menschliche Körper mit bloßen Händen am Auseinanderfallen zu hindern versucht. Es gelang mir allerdings auch, etliche Gewalttaten, Vergewaltigungen und Misshandlungen zu verhindern und Leben zu retten. Dies geschah auch oft unter Einsatz meines eigenen Lebens und auch Schädigung meiner Gesundheit. Hin und wieder helfe ich sogar Omas über die Straße oder trage ihre Einkäufe nach Hause.

Ich habe es sogar geschafft, drei Töchter in die Welt zu setzen und diese gewaltfrei zu Freigeistern und selbstständig denkenden Individuen zu erziehen. Dies ist, zugegeben, nicht immer zu meinem Vorteil. Ich bin verheiratet, kann allein Schuhe zubinden und finde sogar im Dunkeln den Weg nach Hause ohne fremde Hilfe.

Selbst Videorecorder, und seit Neuestem Festplattenrecorder, kann ich programmieren.

Und die taz lesen. Was ich aufgrund Ihrer in meinen Augen sachlichen Berichterstattung bisher immer gerne, wenn auch nicht sehr regelmäßig, getan habe.

Dies fällt mir in Zukunft schwer, verursacht mir doch der Kamm, mit dem Sie mich gemeinsam mit den in Momentaufnahmen im Artikel beschriebenen Polizisten scheren, starke Schmerztränen und trübt wiederum meine Wahrnehmung. Eventuell besorgen Sie sich einen zweiten, dritten oder auch eine ganze Kiste verschiedener Kämme. Das Vorhandensein persönlicher Kämme und Bürsten für die vier Frauen meines Haushalts sorgt hier zumindest für individuelle Pflege und somit für ein harmonisches Zusammenleben. ANDREAS RETSCHLAG, Berlin