taz.mag-Nachtrag

Nur wenige Menschen dürften ihre Geschichte so reflektiert haben wie Karl-Heinz Dellwo. Als Mitglied des RAF-Kommandos Holger Meins gehörte er zu denen, die am 24. April 1975 die Deutsche Botschaft in Stockholm erstürmten, um mit der Geiselnahme der Botschaftsangehörigen die Freilassung inhaftierter Genossen in Deutschland zu erpressen. Fast auf die Minute genau zwölf Stunden dauerte die am Ende gescheiterte Aktion, in deren Verlauf die Besetzer die Attachés von Mirbach und Hillegaart erschossen. Aufseiten der RAF starben zwei der Kommandomitglieder.

Wer heute, nach 32 Jahren, wissen will, wie Menschen wie der damals erst 23-jährige Dellwo zum „Bewaffneten Kampf“ kamen, woher sie stammen und welche Sicht sie heute auf das haben, was sie als politische Arbeit verstanden, sollte zum Band „Das Projektil sind wir“ greifen, das in diesen Tagen bei der verdienstvollen in diesem Themenspektrum tätigen Edition Nautilus erscheint.

In ihm sind Gespräche der Hamburger Journalisten Tina Petersen und Christoph Twickel mit Dellwo festgehalten, es sind Protokolle über das Heranwachsen in einer ärmlichen Nachkriegszeit, die Revolte der Sechzigerjahre, die Radikalisierung in Hamburgs linker Szene und natürlich über die RAF und die mehr als zwanzig Jahre Knast.

Nicht prätentiös, dafür präzise: Dellwos Aussagen sind einigen offenbar auch unbequem. So sehr, dass etwa das Magazin Der Spiegel entschied, ein mit ihm geführtes Interview nicht abzudrucken. Unsere Redaktion hat das Buch mit Gewinn gelesen: Karl-Heinz Dellwo, „Das Projektil sind wir“, Edition Nautilus, Hamburg 2007, 230 Seiten, 13,90 Euro. WOLFGANG GAST