Kanzlerkandidat der Journaille

SPD Peer Steinbrück ist so gut wie Kanzler. Wenn es nach ihm, Helmut Schmidt und den Medien geht. Kleiner Haken: Steinbrück pfeift auf die SPD – und die auf Fernsehkanzler

Gibt es überhaupt noch Alternativen zum Kanzlerkandidaten Steinbrück? Wen interessiert’s!

VON GORDON REPINSKI

Helmut Schmidt sitzt in der Mitte des Saals, die Sendung dauert schon vier Zigaretten, dazu zwei Ladungen Schnupftabak, endlich kommt die Kandidatenfrage. Könnte Peer Steinbrück also Kanzler, will Moderator Günther Jauch wissen. „Wir brauchen politische Führer“, sinniert der Uraltkanzler, „die wissen, worüber sie sprechen in der Bankenkrise.“

Und daneben sitzt er. Der Mann, der weiß, worüber er spricht. Ehemals Bundesfinanzminister einer großen Koalition, Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein, Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen.

Warum er denn nichts sage, ulkt Jauch in Richtung des jüngeren der beiden Politrentner: „Das Gespräch geht an mir vorbei“, ulkt Steinbrück, 64, zurück. Er lacht, alle lachen. Jauch schleicht sich noch einmal heran. Wie ist es denn nun? „Ich werde mich zu der Frage äußern, falls der Parteivorsitzende sie mir stellt.“

Jetzt mal Luft holen. Was für ein Theater!

Peer Steinbrück hat an diesem Abend eine Bühne bekommen, um sein Buch „Zug um Zug“ zu vermarkten, das er mit Helmut Schmidt geschrieben hat. Er hat sie vor allem aber bekommen, um sich als Kanzlerkandidat zu vermarkten. Dazu kommt eine Spiegel-Titelgeschichte. Und am Donnerstag beschließt die Zeit die Premium-Woche für Steinbrück mit dem offiziellen Vorabdruck des Buches. Natürlich ist ihm die Sache mit der Kandidatur offiziell etwas unangenehm, aber nur offiziell.

Es geschieht etwas Bemerkenswertes seit einigen Monaten. Peer Steinbrück ist von einigen Medien als Kanzlerkandidat bestimmt worden. Je mehr es geschrieben haben, desto selbstverständlicher wurde es, und desto mehr schrieben darüber und so weiter. Für manche besteht kein Zweifel mehr, es kann nur noch Steinbrück geben. Gibt es überhaupt noch Alternativen? Wen interessiert’s!

Der Ausgerufene, das macht alles besonders schräg, wollte eigentlich noch nie sonderlich viel mit der SPD zu tun haben. Ab 2009 wollte er sogar gar nichts mehr mit der Partei zu tun haben – er legte alle Parteiämter nieder. Steinbrück hat in der rot-grünen Regierungszeit in Nordrhein-Westfalen auch das Verhältnis zum Koalitionspartner zerrüttet und sich als Finanzminister lange gegen eine schärfere Regulierung der Finanzmärkte gewehrt. Er hat vieles gemacht, wie es die Partei gerade nicht wollte. Und heute schon gar nicht mehr will.

Trotzdem lässt ihn die SPD im Moment machen. Denn die Partei ist noch immer geschwächt von den eigenen Regierungsjahren, und da freut man sich, wenn es einen gibt, der in der Öffentlichkeit beachtet wird. Denn in den Regierungsjahren wurde viel Personal verbraucht, ein Teil der Partei hat sich abgespalten, Zehntausende Mitglieder gingen verloren. Die SPD hat sich als Partei aufgegeben, um regieren zu können. Die Schwäche ist nicht überwunden: Auch heute weiß die SPD in mancher inhaltlichen Frage noch immer nicht, welcher Weg der richtige sein könnte.

Aber sie hat für sich nach 2009 immerhin beschlossen, keine Basta-Politik mehr zulassen zu wollen. Denn Gerhard Schröders Zampano-Stil als Fernsehkanzler hat sie genervt. Und mehr nach links zu rücken. Denn Schröders Agenda 2010 hat genervt. Und jetzt kommt Steinbrück, der nicht links ist, kein Diplomat und der Partei den Rücken gekehrt hat. Ein Kanzler Steinbrück würde die SPD zerreißen. Das wissen viele in der SPD, aber sie halten noch still.

Zurück ins Theaterstück Steinbrück/Schmidt/Jauch.

Am Ende fragte Jauch, wo denn im politischen Spektrum Wahlen gewonnen werden. Rechts, links oder immer in der Mitte? „Es ist hoffentlich in der Mitte“, sagt Schmidt.

Wieder allgemeines Grinsen. Klar, der Steinbrück, der ist Mitte.

Aber da gibt es in der SPD immerhin zwei Kandidaten. Einer heißt Steinbrück. Und einer Frank-Walter Steinmeier. Der ist Fraktionschef und hält sich auffällig zurück in den letzten Wochen. Aber vielleicht kommt ja noch ein Buch.

Moment, oder: Vielleicht bestimmt die SPD den Kanzlerkandidaten auch einfach selbst.