„Nicht besonders kreativ“

Jochen Menzel, Sprecher des Hamburger Zukunftsrats, sieht in puncto Nachhaltigkeit der Hafencity noch Defizite. Er vermisst verbindliche ökologische Standards und findet auch die durch hochpreisige Wohnungen zu erwartende Sozialstruktur einseitig

JOCHEN MENZEL, 58, ist Sprecher des Hamburger Zukunftsrats. Außerdem sitzt er im Vorstand von Terre des Hommes.

INTERVIEW PETRA SCHELLEN

taz: Herr Menzel, der Zukunftsrat fordert ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit. Lassen sich diese drei Komponenten für die Hafencity paritätisch umsetzen?

Jochen Menzel: In diesem strengen Sinne sicher nicht. Deshalb wollen wir diese Bereiche möglichst optimal miteinander verschränken. Da gibt es in der Hafencity durchaus Anstrengungen. Die Entwicklung neuer Siedlungsflächen auf schon erschlossenem Gebiet ist sehr nachhaltig.

Reden wir über Ökologie: Sind für die Hafencity genügend Bäume geplant?

Ökologische Nachhaltigkeit definiert sich natürlich nicht nur über Bäume. Aber wir haben in Gesprächen mit der Hafencity GmbH, die ja auch im Zukunftsrat sitzt, deutlich gemacht, dass die Grünentwicklung bisher vernachlässigt wurde.

Gewährleistet der Anteil geplanter Grünflächen ökologische Nachhaltigkeit?

Insgesamt kommt es mir etwas mager vor. Zwar ist die Hafencity eine Art Verlängerung der Innenstadt, bietet also urbane Dichte, die ohnehin nicht so stark begrünt ist. Aber ein Naherholungsgebiet, das den Wallanlagen vergleichbar wäre, ist für die Hafencity nicht geplant.

Welche ökologischen Auflagen gibt es für die Bauherren?

Bindende Auflagen jenseits der gesetzlich vorgesehenen gibt es nicht. Bauherren können aber durch die Verwendung umweltfreundlicher Baustoffe das silberne oder goldene Umweltzeichen erwerben. Ich fände es allerdings sinnvoll, diese Standards verpflichtend zu machen.

Die Standards konkret?

Der Energiebedarf bei Wohngebäuden muss für das silberne Umweltzeichen unter 60 Kilowattstunden (KWH) pro Quadratmeter und Jahr liegen, bei Bürogebäuden unter 190. Für das goldene dürften Wohngebäude maximal 40 und Büros maximal 100 KWH verbrauchen.

Das Energiekonzept sieht Fernwärme und dezentrale Wärmeversorgung vor.

Im Prinzip ist das schon in Ordnung. Man hätte allerdings auch für die Bürogebäude Photovoltaik oder Solarthermie vereinbaren können. Denn alle Wohnhäuser haben Solaranlagen für die Warmwasserbereitung. Auch hier sollen aber nur 30 Prozent der Warmwasserversorgung durch Solarthermie abgedeckt werden. Man könnte auch auf 60 Prozent kommen.

Wird die Hafencity sozial nachhaltig sein?

Die Wohnungen werden hochpreisig sein, und es wird keine Sozialwohnungen geben, dafür aber Genossenschaftswohnungen. Aber insgesamt wird die Sozialstruktur durch das hohe Kauf- und Mietpreisniveau einseitig sein. Das finde ich problematisch, weil die Umgebung ganz anders strukturiert ist: Wenn man über Nordkanal beziehungsweise Elbe setzt, kommt man in arme Gebiete: Rothenburgsort, Billwerder, Veddel, Wilhelmsburg. Zudem wünsche ich mir eine stärkere Berücksichtigung der lokalen Ökonomie: Bislang haben sich hier große Firmen angesiedelt. Wichtig wären auch Einzelhandel und Handwerk für den täglichen Bedarf.

Finden Sie die Hafencity-Architektur ästhetisch nachhaltig?

Schwer zu sagen, weil ich nicht weiß, wie künftige Generationen diese Architektur bewerten werden. Am Sandtorkai finde ich die Bebauung bislang sehr einförmig würfelartig und nicht besonders kreativ. Vor Experimentierfreude strotzt dies nicht. Aber das ist natürlich subjektiv.

Also insgesamt keine zukunftsorientierte Planung?

Der Senat hat die Chance nicht genutzt, die Hafencity von Anfang an aus dem Gedanken der Nachhaltigkeit heraus zu planen. Das passiert derzeit bei Shanghai, wo man sich vorher überlegt: Wie kann ich eine große Stadt mit erneuerbaren Energien versorgen? Dies war bei der Hafencity nicht Ausgangspunkt des Denkens. Inzwischen werden Nachhaltigkeitsanforderungen aber ernster genommen.

„Hafencity als nachhaltige Stadt“: Diskussion mit Hafencity GmbH-Geschäftsführer Jürgen Bruns-Berentelg, Umweltsenator Axel Gedaschko, dem Architekten Stefan Behnisch sowie Jochen Menzel: Mo, 15. 10., 18.30 Uhr, Kesselhaus, Am Sandtorkai 30