mitten aus der praxis
: Leben unter dem Existenzminimum

Familie M. besteht aus Vater, Mutter und vier Kindern im Alter von 15, 14, 11 und 2 Jahren. Die Familie stammt aus Tschetschenien, wo seit mehreren Jahren Krieg tobt. Die Familie flüchtete aus Angst um ihr Leben nach Deutschland in der Hoffnung, hier ihren Kindern eine Zukunft zu ermöglichen.

Sie wurde dem Land Niedersachsen zugewiesen. Doch ihr Asylantrag wurde abgelehnt, da das Gericht davon ausging, dass die Familie in der Russischen Föderation sicher sei. Als nicht relevant wurde angesehen, dass sie dort ohne Registrierung illegal leben muss. Das bedeutet, sie erhält keine legale Arbeit, keine finanzielle Unterstützung und keine medizinische Versorgung.

Nach Ablehnung ihres Asylantrages soll die Familie nunmehr in die Russische Föderation abgeschoben werden. Das Ehepaar M. hat jedoch panische Angst vor einer Rückkehr, weil es weiß, womit die Familie dann rechnen muss. Aus diesem Grunde sahen sie sich bisher nicht in der Lage, sich Ausreisedokumente für eine Rückkehr in die Russische Föderation zu besorgen.

Die deutschen Behörden sehen in diesem Verhalten der Familie die fehlende Mitwirkung bei der Passbeschaffung, lassen aber außer Acht, ob ihr eine Ausreise zuzumuten ist. Ihre Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz werden für sechs Personen deshalb auf insgesamt 754 Euro monatlich, also im Durchschnitt 31 Euro pro Person pro Woche, gekürzt. Diese Summe erhält die Familie ausschließlich in Gutscheinen.

Das Geld muss für den gesamten Lebensunterhalt reichen; begrenzt auf Nahrungsmittel, Geschirr und andere Gebrauchsgüter für die Haushaltsführung, Putz- und Reinigungsmittel, Sanitärartikel und Bekleidung. Der Kauf beispielsweise von Büchern und Schreibutensilien ist nicht vorgesehen. Die Eltern M. dürfen nicht arbeiten, obwohl sie gerne auf das Geld des Sozialamtes verzichten würden. Für die Kinder können weder der Schulbus noch die Schulbücher oder Schulmaterial mit Gutscheinen bezahlt werden. Ein Telefon können sie sich nicht leisten und sich weder Briefmarken noch eine Zeitung kaufen.

Von einer Mitgliedschaft in einem Fußballverein können die Kinder nur träumen. Wechselgeld darf bei 10 Euro pro Gutschein nur in Höhe von 1,50 Euro herausgegeben werden. Die Gutscheine sind nur einen Monat lang und nur im Landkreis gültig, der sie herausgibt.

Durch den Entzug aller Barmittel werden die Flüchtlinge zwangsläufig kriminalisiert, denn wer keine Barmittel erhält, aber trotzdem Bus oder Bahn benutzt, kann dies nur tun, indem er sich illegal Bargeld beschafft hat. Gerda Baudisch-Cimen, Rechtsanwältin in Bremerhaven