Mit Pech nach oben

In Kiel sind sie nach dem klaren Sieg gegen Balingen am Sonntag vor allem über eines froh: Dass sich nicht noch ein Spieler verletzt hat. Das Verletzungspech verfolgt den Rekordmeister seit Wochen

Aus Kiel CHRISTINA STEFANESCU

Der THW Kiel hat gerade keine gute Phase. Das Aushängeschild des Rekordmeisters, amtierenden Deutschen Pokalsiegers und Champions-League-Gewinners ist demoliert: der Rückraum. Vier Spieler hat Trainer Noka Serdarusic hinten eingeplant. Alle sind verletzt. Die Misere begann im Sommer.

17.7.: Christian Zeitz wird an der Hüfte operiert. Danach ist er bei sechs Bundesligaspielen dabei, macht aber nur fünf Tore. Beim Spiel gegen Flensburg sitzt er nur auf der Bank, hat Schmerzen. Dann sechs Spiele Zwangspause. Zuletzt wurde eine Einblutung in der operierten Hüfte diagnostiziert.

22.9.: Filip Jicha, im Sommer als Unterstützung aus Lemgo zum THW gekommen, verletzt sich im Derby gegen den Erzrivalen und derzeitigen Tabellenführer Flensburg schwer am Knie. Operation und bis zu vier Monate Zwangspause.

29.9.: Kiel gewinnt das erste Gruppenspiel in der Champions League gegen Montpellier mit 34:32, verliert aber seinen wichtigsten Rückraumspieler Nicola Karabatic. Diagnose: Teilanriss der Bänder im linken Schultereckgelenk, Einblutungen in die umliegende Muskulatur. Vier bis sechs Wochen Ruhepause für Karabatic.

1.10.: Am Tag nach dem Ausfall Karabatics orakelte Kiels Trainer Serdarusic: „Wir sind jetzt raus aus dem Titelrennen.“ Er hatte sich gerade den Sieg des Tabellenführers Flensburg gegen den HSV Hamburg angeschaut, rauchte vor der Halle eine Zigarette, schob die ewige Favoritenrolle weit von sich – hatte aber schon eine Lösung seines Rückraum-Problems gefunden: Der THW verpflichtet den Slowenen Ales Pajovic von Ciudad Real als Ersatz für Karabatic im linken Rückraum. Pajovic, 149-facher slowenischer Nationalspieler, wird die Kieler bis Ende des Jahres unterstützen. In der Champions League muss der THW allerdings auf Pajovic verzichten. Ciudad Real will ihn nach seiner Rückkehr noch im Wettbewerb einsetzen können.

3.10.: In seinem ersten Spiel für den THW gegen den VfL Gummersbach, gerade einmal drei Tage nach seiner Verpflichtung, wirft Pajovic zehn Tore, ist damit der erfolgreichste THW-Schütze. Kiel gewinnt mit 33:31.

7.10.: Im zweiten Champions-League-Spiel der Saison bleibt Kim Andersson nach einem Zusammenstoß mit dem Ex-Kieler Tobias Karlsson mit schmerzverzerrtem Gesicht liegen. Diagnose: Bänderriss im linken Sprunggelenk. Sechs Wochen Zwangspause für Andersson. Aber auch hier: Sieg für den THW, 37:28. Denn es gab einen, der über die Erwartungen aller hinauswuchs: Viktor Szilagyi. Zehn Tore machte der Österreicher gegen Hammerby und sagt danach: „Ich hatte mir für heute nichts vorgenommen.“ Als wieder einmal Mitspieler vom Feld humpelten, habe er aber gewusst, „dass es heute auch auf mich ankommt“.

11.10.: Beim dritten THW Sieg in der Champions League in dieser Saison, dem 29:25 gegen HCM Constanta aus Rumänien, ist es wiederum Viktor Szilagyi, der mit elf Toren den Sieg des THW sichert.

14.10.: Der THW gewinnt ohne große Mühe gegen HBW Balingen-Weilstetten 36:21, weil statt wie sonst der Angriff die Abwehr brilliert. Im Mittelblock ersetzt Ales Pajovic Nikola Karabatic, macht bei seinem ersten Heimspiel fünf Tore. Kiels Trainer Noka Serdarusic ist zufrieden, sagt aber: „Ich wette, dass wir keine Chance mehr auf den Titel haben, wenn der THW mit dieser Mannschaft weiterspielen muss.“

In den nächsten Wochen werden die Verletzten zurückkehren. Und weil der THW trotz des Verletzungspechs so souverän weiterspielt, in der Liga wie auch in der Champions League, bleibt die Mannschaft von Noka Serdarusic einer der Favoriten auf die Titel. Und weil Flensburg erst am Mittwoch in Berlin spielt, ist der vom Verletzungspech gebeutelte THW Kiel seit gestern wieder: Tabellenführer.