Rüben statt Atommüll

Tausende demonstrierten gegen das geplante Endlager Schacht Konrad in Salzgitter. Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts für den Bau gelten die Klagen beim Bundesverfassungsgericht als wenig erfolgsversprechend

In dem Jahrzehnte dauernden, komplizierten Genehmigungsverfahren für ein Endlager im stillgelegten Eisenerz-Bergwerk „Schacht Konrad“ war das Bundesumweltministerium Antragsteller. Obwohl die Minister Jürgen Trittin (Grüne) und jetzt Sigmar Gabriel (SPD) das Endlager Konrad eigentlich gar nicht wollten, betrieben sie das Verfahren weiter.Sie befürchteten Entschädigungsforderungen der Industrie, die in den vergangenen Jahrzehnten schon hunderte Millionen Euro in das Vorhaben gesteckt hat. Nach dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts sieht Gabriel keine Chance mehr, das Endlager noch zu verhindern. „Wir ziehen das jetzt durch“, sagte der Minister kürzlich bei einem Besuch in seinem Wahlkreis Salzgitter. RP

von REIMAR PAUL

„Schach(t) matt“, steht auf dem Transparent. Neben diesen Spruch haben Umweltschützer die Silhouette des Förderturms von Schacht Konrad gemalt. Die Bundesregierung will das frühere Eisenerzbergwerk in Salzgitter zum Endlager für radioaktive Abfälle ausbauen. Gegen diese Pläne demonstrierten am Sonnabend mehrere tausend Menschen.

Anfang April hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass das Endlager gebaut werden kann. In dem Lager sollen bis zu 303.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktive Abfälle aus Atomkraftwerken, Sammelstellen, Kliniken und Forschungsinstituten aufbewahrt werden. Darunter auch mehrere Hundert Kilogramm extrem giftiges Plutonium.

Der Landwirt Walter Traube, dessen Hof in Sichtweite der Schachtanlage liegt, und die Stadt Salzgitter haben dagegen das Bundesverfassungsgericht angerufen. Doch eine Entscheidung zu ihren Gunsten halten Beobachter für unwahrscheinlich. Wenn überhaupt, dann sei das Endlager nur durch politischen Druck zu verhindern.

Die Atomkraftgegner wollen das nicht wahrhaben. Bei der Kundgebung auf dem Rathausplatz, die bis in den Abend dauert, wechseln sich Musikgruppen und Redner ab. Sie verweisen auf die katastrophale Situation in den Endlagern Asse und Morsleben.

Das Salzbergwerk Asse bei Wolfenbüttel, wo seit 30 Jahren mehr als 125.000 Fässer mit Atommüll lagern, droht nach Ansicht von Kritikern buchstäblich abzusaufen. Dann könnten die Fässer rosten und der Atommüll ins Grundwasser geschwemmt werden. Und das frühere DDR-Endlager Morsleben, das nach Wende und Wiedervereinigung dem Bund in die Hände fiel, verfüllen Techniker derzeit mit Beton und Salzstaub: Dort waren mehrmals tonnenschwere Salzbrocken von den Zwischendecken gekracht.

„Es gibt kein Endlagerkonzept, das Sicherheit für Tausende von Jahren garantiert“, ruft der Chemie-Professor und Kernkraft-Kritiker Rolf Bertram der Menge zu. Zudem sei „Atomkraft so überflüssig wie ein Kropf. Zur Versorgung der Menschen mit Energie bedarf es keiner Atomkraftwerke. Sonne, Wind und Biomasse reichen zur Bedarfsdeckung völlig aus.“

Zur Zeit spüren die Atomgegner in der Region Rückenwind. Hunderte seien in den vergangenen Wochen zu Informationsveranstaltungen und Betriebsversammlungen gekommen, berichtet Peter Dickel, ein Veteran der Anti-Atom-Bewegung und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad.

Zu der Demonstration am Sonnabend sind viele mit Fahrrädern oder auf Inlinern aus den Ortsteilen und umliegenden Dörfern gekommen. In dem kilometerlangen Protestzug rollen auch ein Dutzend Trecker mit. Einige transportieren gelbe Fässer mit dem Radioaktivitätszeichen, andere sind mit Spruchbändern geschmückt: „Motoren, Stahl und Rüben statt Atommüll und Lügen“.

An dem von starken Polizeikräften gesicherten Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) protestieren die ersten Reihen mit einer Sitzblockade. Vor Schacht Konrad heizen die Trommler von „Sambattac“ kräftig ein. „Schacht Konrad wird nicht durch Zugucken verhindert, auch nicht durch Zugucken bei dieser Demonstration“, versucht Peter Dickel die Passanten zum Mitmachen zu bewegen. Ein Bauer führt seinen Esel herum, das Grautier hat ein Schild auf dem Rücken: „Konrad und Asse? Da schmunzelt der Amtsesel“.

Auch aus Gorleben ist Unterstützung gekommen. Neben den rot-grünen Flaggen der „Republik Freies Wendland“ flattern auffallend viele Fahnen von Ver.di und der IG Metall. Ganze vorn marschieren Vertrauensleute aus dem VW-Werk. Ohnehin sind Metall-Gewerkschafter und Betriebsräte Motoren im Widerstand gegen das geplante Endlager. Es war die IG Metall in Salzgitter, die eine Spendenkampagne startete, um die Klagen gegen Konrad finanziell abzusichern.

Während eines Aktionstages gegen das Endlager legten Tausende Stahl- und Metallarbeiter aus der Region für Stunden die Arbeit nieder. Vor Betrieben, unter anderem vor dem VW-Werk in Salzgitter, fanden Kundgebungen statt. Die Teilnehmer ließen Luftballons mit der Aufschrift „Kein Atommüll im Schacht Konrad“ steigen. Mit einer Aufsehen erregenden Aktion in der Innenstadt simulierte die IG Metall erst vor wenigen Wochen einen Atomunfall und seine möglichen Folgen.

Die Gewerkschafter halten die Inbetriebnahme von Schacht Konrad in der Industrieregion Salzgitter für strukturpolitisch unverantwortlich. Das Endlager habe verheerende Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung.

„Ein atomares Endlager in direkter Nähe eines Produktionsbetriebes birgt unserer Ansicht nach auch die Gefahr, dass notwendige Investitionen nicht mehr getätigt werden“, sagt Björn Harmening, Sprecher der IG Metall-Vertrauensleute im VW-Werk Salzgitter. Ausdrücklich warnen die Gewerkschafter auch vor den Risiken radioaktiver Strahlung und vor der Gefahr schwerer Unfälle bei Atommülltransporten in das Endlager.