Mittelklassewagen gegen Oldtimer

Nach dem erbärmlichen 1:3 bei Ko-EM-Gastgeber Schweiz wackelt der österreichische Teamchef Hickersberger

ZÜRICH taz ■ Es könnte in Vorarlberg dieser Tage so schön sein. Herbstsonne, Bergpanorama. Eine feudale Herberge wie der Montafoner Hof in Tschagguns bietet dazu das beste Wohlfühlambiente. Doch am gestrigen Sonntag waren hier nur bedrückte Gesichter anzutreffen. Noch in der Nacht nach dem 1:3 im Testländerspiel der EM-Gastgeber gegen die Schweiz war die österreichische Nationalelf mit dem Bus vom Züricher Letzigrund zurück ins Montafoner Quartier kutschiert worden. Um in der Abgeschiedenheit der Alpenidylle die Wunden zu lecken.

Das Echo aus der Hauptstadt Wien kann man sich bereits ausmalen. Ätzende wie zynische Kommentare, die Josef Hickersberger seit geraumer Zeit vergrätzen. „Die Kritik ist teilweise berechtigt, aber über die Art und Weise kann man streiten“, sagt der Teamchef. „Ich bin aber nicht so empfindlich wie der eine oder andere Spieler.“ Der Mann weiß, dass sich nun viel an seiner Person entlädt. „Hicke raus!“, krakeelte eine Schar gedemütigter Österreicher am Samstagabend im renovierten Oval.

Über den 59-Jährigen, der in Anlehnung an seine erste Entlassung 1990 nach einem peinlichen 0:1 gegen die Färöer-Inseln den wenig schmeichelhaften Beinamen „Färöer-Pepi“ trägt, richten nicht allein die scharfzüngigen Experten, die da Herbert Prohaska, Toni Polster oder Hans Krankl heißen. Rein zufällig findet am Donnerstag eine Präsidiumssitzung des Österreichischen Fußball-Bundes (ÖFB) in Innsbruck statt, eben einen Tag vorher testet die Nationalelf im neuen Tivoli zu Innsbruck gegen die Elfenbeinküste. Endet auch das zehnte Testspiel in 2007 sieglos, dann wäre auch der zu Hickersberger haltende ÖFB-Boss Friedrich Stickler hilflos. Längst sollen mächtige Landesfürsten wie der Oberösterreicher Leo Windtner nur ein Ziel haben: Hickersberger so schnell wie möglich loszuwerden.

Kurt Jara, aber auch Hickersbergers Assistent Andreas Herzog werden als Heilsbringer gehandelt, doch mit Handauflegen ist es nicht getan. „Das Bosman-Urteil hat fast alle österreichischen Vereine dazu verführt, dass sie zu viele Ausländer gekauft haben. In den Jahrgängen, die im besten Fußballalter sein müssten, haben wir kaum Spieler“, erklärt Hickersberger. „Es gibt nur Talente, die eine gute U20-WM gespielt haben,und die über 35-jährigen Super-Oldies.“ Und der belesene Mann hat Recht. Sein Spielerkreis, in der Fifa-Weltrangliste nur auf Position 85 gelistet, taugt nicht für die internationale Klasse. Erschreckend auch, dass im Alpenderby die Gastgeber nicht nur gedankenschneller, sondern auch entschlossener und engagierter wirkten. Nach 71 Sekunden stand es 1:0, nach Toren von Marco Streller (2. und 55), Hakan Yakin (36.) beim zwischenzeitlichen 1:1 von Rene Aufhauser (11.) hieß es am Ende 3:1 für die Eidgenossen. Dass der Schweizer Nationaltrainer Jakob „Köbi“ Kuhn eben 64 Jahre alt geworden war, nahm Hickersberger als Anlass für Sarkasmus: „Die Torte von mir hat doch gereicht. Da hätten meine Spieler nicht auch noch Geschenke machen müssen.“

Immer wenn die international erprobten Schweizer das Tempo anzogen, hatten 22.500 Zuschauer den Eindruck, hier hänge gerade ein Mittelklassewagen einen Oldtimer ab. „Es war trotzdem kein großer Tag für die Schweiz“, beschwichtigte der überragende dreimalige Vorbereiter Tranquillo Barnetta aus Leverkusen, „dafür war der Gegner zu schwach.“ Stuttgarts Linksverteidiger Ludovic Magnin parlierte dennoch ausschweifend über große Ziele im nächsten Sommer: „Unser Traum ist es, Europameister zu werden.“

Dass in der Schweiz auch schon intensiv die Zeit danach diskutiert wird, ist Ottmar Hitzfeld zu verdanken. Der 58-jährige Coach des FC Bayern München verriet Vertrauten bei zwei Schweizer Tageszeitungen, dass es für ihn im Sommer 2008 nur zwei Optionen gebe. Den Job bei den Bayern oder eben den als Schweizer Nationalcoach. Schließlich lässt der Mann gerade in Lörrach an der Grenze ein neues Eigenheim errichten und seine Vorliebe für den Schweizer Fußball erklärt sich aus seiner dortigen Vergangenheit als Spieler und Trainer. „Es freut mich natürlich, dass sich ein solch kompetenter Trainer für die Schweizer Nati interessiert“, frohlockte Verbandspräsident Ralph Zloczower und kündigte eine Kontaktaufnahme mit Hitzfeld an. Kuhn, wohlgemerkt, hat vorsichtshalber aber lieber seinen Assistenten Michel Pont vorgeschlagen. FRANK HELLMANN