Heißhunger auf Hawaii

Der Australier Chris McCormack gewinnt den Ironman von Hawaii und ärgert sich ein wenig, dass die deutschen Mitfavoriten allesamt vor einem grassierenden Magen-Darm-Virus kapitulieren mussten

VON SEBASTIAN MOLL

Chris McCormack hatte sich ein knappes Rennen gewünscht für den Hawaii Ironman, einen erbitterten Kampf auf den letzten quälenden Marathonkilometern zwischen sich und seinen beiden deutschen Erzrivalen Normann Stadler und Faris Al Sultan. Nur dann, sagte der Australier, Zweiter im Jahr 2006 hinter Stadler, vor dem wichtigsten Rennen im Langstreckentriathlon, würde er einen Sieg so recht genießen können. Doch die beiden Deutschen taten dem 33-Jährigen Mann aus Sydney nicht den Gefallen. Als McCormack am Samstagnachmittag erschöpft und beglückt das Zielband am Hafen Kailua Kona durchriss und auf dem heißen Asphalt zusammensank, waren Al Sultan und Stadler weit und breit nicht zu sehen.

Der Münchner Al Sultan, der den Dreikampf-Klassiker 2005 gewann, war am frühen Morgen gar nicht erst in den ungewöhnlich ruhigen Pazifik vor dem Touristenort Kona an der Ostküste des Big Island gesprungen. Die ganze Nacht, erzählte Tobias Wandlinger, ein mitgereister Jugendfreund Al Sultans aus München, habe sich der in Schwabing aufgewachsene Halb-Iraker übergeben und sich eine Viertelstunde vor dem Donnern der Startkanone zum Sonnenaufgang schweren Herzens eingestehen müssen, dass es an diesem Tag keinen Sinn mache, sich der extremen Ausdauerprüfung in tropischer Schwüle zu stellen.

Normann Stadler, dem Gewinner des Vorjahres, war es die Nacht über nicht besser ergangen – auch ihn hatte ein offenbar unter den Athleten in Hawaii grassierender Magen-Darm-Virus erwischt. Stadler versuchte dennoch sein Glück, musste aber sein Rennen nach 80 von 180 Fahrradkilometern auf dem schattenlosen Queen Kuakini Highway abbrechen. „Ich hatte gehofft, dass die Beschwerden während des Rennens abnehmen“, sagte Stadler, während er Stunden später unter den Zuschauern vor dem King Kamehameha Hotel in Kona stehend den Zieleinlauf seiner Konkurrenten beobachtete. „Aber ich habe mich schon nach kurzer Zeit auf dem Rad wieder übergeben müssen. Und man kann keinen Ironman gewinnen, wenn man keine Nahrung und keine Flüssigkeit bei sich behalten kann. Es ist ein unglaubliches Pech.“

Aber Stadler und Al Sultan waren nicht die Einzigen, die am Samstag vom Pech verfolgt wurden. Auch die beiden Favoritinnen im Frauenrennen kamen nicht weit auf dem Neun-Stunden-Kurs rund um die größte Insel des vulkanischen Pazifikatolls. Die Vorjahressiegerin Michellie Jones aus Australien kämpfte mit demselben unangenehmen Virus wie die beiden deutschen Männer. Die sechsfache Siegerin Natascha Badman aus der Schweiz stieß beim Radfahren mit einem Kameramotorrad zusammen und brach sich das Schlüsselbein. Statt der beiden gewann die vorher unbekannte Engländerin Chrissie Wellington, die erst seit diesem Frühjahr Profi ist. „Das war eine steile Lernkurve für mich“, sagte die schmale Frau strahlend und schwer mit den traditionellen Siegerkränzen aus Orchideen behangen im Ziel. „Ein paar Leute haben mir vorher gesagt, ich hätte hier eine Chance. Ich habe ihnen kein Wort geglaubt.“

Für Chris McCormack war hingegen die Lernkurve eher flach. Er ist seit elf Jahren Profi – schon 1997 wurde er Weltmeister über die olympische Distanz im Triathlon, mit 1,5 Kilometer Schwimmen, 40 Kilometer Radfahren und 10 Kilometern Laufen nur etwa ein Viertel so lang wie der Ironman. Vom Sieg in Hawaii, so McCormack im Ziel in Kona, träume er schon seit seiner Kindheit in Australien, wo Triathlon so etwas wie Volkssport ist. Im siebten Anlauf ist es ihm nun gelungen und die Tatsache, dass er dabei nicht seine beiden härtesten Widersacher niederringen musste, schien im Nachhinein seine Freude dann doch nicht zu trüben. Minutenlang lag er zunächst seinem Vater und dann seiner Frau in den Armen, bevor er sich von den beiden in die Feldlazarett-artige medizinische Versorgungszone direkt am Strand bringen ließ, um sich mit Infusionen und Massagen wieder aufpäppeln zu lassen.

Die bislang einzige achtfache Gewinnerin des Rennens, Paula Newby Fraser, für das US-Fernsehen in Kona im Einsatz, bemitleidete derweil noch immer die ausgeschiedenen Favoriten. „Man muss sich nur vorstellen, wie viel Vorbereitung in diesen Wettkampf geht. Die Sportler leben monatelang für diesen Tag. Alles leidet darunter, ihre Familien, ihr ganzes Leben. Das einzig Positive an so einer Erfahrung ist, dass sie für das nächste Jahr noch hungriger sind.“ Bei den Betroffenen allerdings konnte von Hunger noch keine Rede sein. „Einfach nur fertig“, fühlte sich Faris Al Sultan und wirkte dabei, als wolle er nur noch weg von dieser Insel und sich zu Hause in München verkriechen.