Es wird kein Gipfeltreffen geben

Gerüchte über ein donnerstägiges „Gipfeltreffen der Kommunikationsguerilla“ im taz Café kursieren – im Interview erklärt taz-Redakteur Martin Kaul, warum alles gelogen ist

INTERVIEW LUTHER BLISSETT

taz: Herr Kaul, ganz Berlin erzählt sich, dass am Donnerstagabend ein legendäres Gipfeltreffen stattfinden soll. Martin Kaul: Und was soll das bitte für ein Gipfeltreffen sein? Es heißt, an der öffentlichen Veranstaltung nähmen herausragende Gruppen und Aktivisten aus der deutschen und internationalen Kommunikationsguerilla-Szene teil. Warum macht die taz daraus so ein Geheimnis? Die taz macht grundsätzlich keine Geheimnisse. Im Gegenteil: Eine Berichterstattung über das nicht stattfindende, aber öffentliche Treffen ist ausdrücklich erwünscht. Deswegen beantworte ich Ihnen doch auch Ihre ganzen komischen Fragen. Angeblich ist die Gästeliste fett: Die Yes Men, das Zentrum für politische Schönheit, das Peng!Kollektiv, die heimattreuen Reutlinger und der Erfinder der Pollerforschung, Helmut Höge. Warum wurde das Treffen nicht beworben? Weil es offiziell gar nicht stattfindet. Denken Sie nach: Das taz Café wäre doch viel zu klein für so ein Ereignis, da kämen doch Hunderte Leute. Nein, nein. Ja, was findet denn nun statt? Ein Gipfeltreffen schon mal gar nicht. Grundsätzlich kann ich mitteilen, dass ich große Sympathien für geheime Treffen habe. Daraus folgt jedoch nicht, dass es ein geheimes Treffen gibt. Wie scheiße hört sich das überhaupt an? Gipfeltreffen – das ist doch was für Demokraten. Es entsteht der Eindruck, dass die taz da ein elitäres Event veranstalten möchte. Das passt nicht zum demokratischen Bild, das sich die taz gerne gibt. Die taz war schon immer gerne elitär, noch öfter Avantgarde und basisdemokratisch sowieso. Sie schreiben selbst andauernd über Pressefreiheit und drucksen jetzt hier so rum. Es gehört zum Wesenskern der Pressefreiheit, an den entscheidenden Stellen zu schweigen. Deswegen ist auch das ganze Gerede von der Lügenpresse Unsinn. Pressefreiheit meint: Wir dürfen lügen. Natürlich. Sonst wäre es ja keine Freiheit. Sie lügen also tatsächlich? Sehen Sie doch. Wieso interessiert Sie das alles überhaupt? Weil es die Menschen bewegt. Dann sagen Sie Ihren Menschen vielleicht: Nicht alles, was wichtig ist, hat auch stattgefunden. Und vieles, das gar nicht stattgefunden hat, war sehr wichtig. Wie meinen Sie das? Die unbefleckte Empfängnis: Gute Geschichte. Die Landung auf dem Mond: Waren Sie dabei? Der Grund des Irakkriegs: Fake. Stimmt es denn, dass die Yes Men kommen? Dann könnte ich auch gleich behaupten, dass der Polizeifanverein „Knüppeldick EFAU“ mit dabei ist. Und? Ist der Verein dabei? Wobei? Was ist das überhaupt für ein Verein? Ein Meilenstein in der Geschichte des virtuellen Widerstands. Knüppeldick EFAU ist bekannt dafür, die erste manuelle DDOS-Attacke verursacht zu haben. Als die Landesregierung Baden-Württemberg seinerzeit das Versammlungsgesetz verschärfen wollte und schon eine Demonstrationsanmeldung verlangte, wenn sich drei Personen oder mehr an überdachten Orten politisch versammelten, meldete Knüppeldick EFAU auf Wochen im Voraus sämtliche geplanten „politischen Diskussionen beim Frühstück“ und ähnliche Manifestationen mit dem korrekten Formular beim Tübinger Ordnungsamt an. Am Ende wurde das Gesetz kassiert. Und der Dackel? Welcher Dackel? Na, der Dackel, der 1968 von Studenten in München aus Protest gegen den Vietnamkrieg verbrannt wurde. Das war ein Schäferhund. Und er wurde gar nicht verbrannt. Wurde er doch. Die Leute haben es geglaubt. Um wie viel Uhr geht es denn nicht los? Um 19 Uhr. Und wo? Sag ich doch.

■ Luther Blissett, investigativer Journalist, schreibt für Deutschlands führenden Blog in Sachen Kommunikationsguerilla.

■ Martin Kaul ist Redakteur der taz, Deutschlands führender Zeitung in Sachen Kommunikationsguerilla.