EIN ODER ANDERER SCHADEN
: Die Katze

Was macht man da? Aus Versehen drüberfahren?

Das ist doch befremdlich. In Ordnung, sie wurde als kleines, flauschiges Katzenbaby von ihrer Mutter verstoßen und hat deswegen jetzt ’nen Knacks weg. Das ist aber noch lange kein Grund, dass ich jetzt darunter leiden muss. „Du leidest unter der Katze?“, sagt die Katzenherrin. „Jetzt geht’s ja los.“ Es ist weniger ein echter Leidensdruck, mehr eine andauernde Verstörung. Denn die Katze säugt sich offenbar selbst. Zumindest verbringt sie gefühlte 20 Stunden am Tag damit, an ihren eigenen Zitzen zu nuckeln. Diese sind dadurch schon ganz wund.

„Na lass sie doch, die hat halt keine Mutter gehabt. Da wird sie ja wohl den ein oder anderen Schaden haben dürfen.“ Das ist kein allzu schlechtes Argument, aber spätestens wenn dieses Vieh dann wieder anfängt, sich selbst in den Schlaf zu säugen, kann ich mich auf nichts mehr konzentrieren.

Ich muss Dutzende Seiten in Büchern erneut lesen, weil ich plötzlich bemerke, dass ich seit geraumer Zeit überhaupt nicht mehr verarbeite, was ich da eigentlich lese. Stattdessen muss ich die ganze Zeit an die Katze denken. Nicht mal, wenn ich am Fenster sitze, um das Treiben auf der Straße zu beobachten, verhält sie sich wie ein normales Haustier. Statt sich neben mich auf die Fensterbank zu setzen, um mich noch älter wirken zu lassen, ist sie weiterhin ganz auf sich konzentriert.

Diese verdammte Katze. Was macht man in einer solchen Situation? Aus Versehen drüberfahren? Die Katze heimlich austauschen gegen ein weniger gestörtes Exemplar? Ein niedlich schielendes Ferkel besorgen, um die Aufmerksamkeit und Liebe der Besitzerin zu verlagern? Fragen über Fragen.

Doch dann, eines Tages, stand dieser Hamsterkäfig im Hausflur. Im Inneren eine Nuckelflasche in Miniaturgröße. Jetzt herrscht Ruhe. Hätte man auch früher draufkommen können.

JURI STERNBURG