Ein aufregender Maskenball

POP Das Berlin-Brandenburger Trio „A Band of Crickets“ changiert zwischen Lagerfeuer-Atmo, Easy Listening, Elektro und Offbeat-Sound

Man hört schlürfende, sexy Beats in Zeitlupe, versehen mit Verbalakrobatik

Tragen wir die spärlichen Fakten zusammen: Sie sind zu dritt. Zwei Männer, eine Frau. Sie leben in Berlin und Brandenburg. Sie nennen sich A Band of Crickets. Sie verstecken sich hinter Masken. Hier liegt die Erklärung, warum die Fakten so spärlich sind: die Masken. Sie glänzen schwarz, haben lange Schnäbel und sorgen dafür, dass über die drei Grillen nicht viel zu erfahren ist.

Das geht jetzt schon ein paar Monate. Die Masken haben dafür gesorgt, dass A Band of Crickets im vergangenen Jahr eine gewisse Erwartungshaltung aufbauen konnten. Zwei EPs mit süffigen Soulsongs auf elektronischer Basis haben dem Versteckspiel einen sehr schönen Soundtrack gegeben. Nun erscheint das Debütalbum namens „Inter Larvas“ und das Rätselraten geht weiter: Wer steckt hinter der Band of Crickets?

Von Interviews braucht man sich keine Aufklärung in dieser Sache zu erhoffen. Auskünfte über autobiografische Details werden ebenso verweigert wie über musikalische Vorgeschichten oder den konkreten Produktionsprozess. Kann man Menschen, die mit den dreien gesprochen haben, glauben, sind die Geheimniskrämer vielleicht Mitte dreißig. Wenn man hört, wie durchdacht die Songs von „Inter Larvas“ konstruiert sind, wie souverän in ihnen mit aktuellen Pop-Versatzstücken gespielt wird und ohne falschen Respekt große Vorbilder zitiert werden, darf man davon ausgehen, dass das Trio über reichlich Erfahrung verfügt – in welchen Zusammenhängen auch immer.

Unser aller Masken

Erklärt wird immerhin, was die Maskerade soll. Die Masken stünden auch für die nicht sichtbaren Masken, mit denen alle Menschen jederzeit durch ihr Leben laufen. „Inter Larvas“, was Latein sein und „Hinter Masken“ bedeuten soll, handele von den „Maskierungen, die wir tragen, um uns selbst von anderen abzugrenzen“. Vor allem aber sollen die ziemlich gruseligen Vogelköpfe, hinter denen die Musiker verschwinden, garantieren, dass die Musik für sich allein existieren kann. Ohne biografische Erklärungsversuche, gänzlich referenzlos, so die Absicht der Band of Crickets, bleibt die Rezeption möglichst vorurteilsfrei.

Dass die Katze da sofort, verbissen in den eigenen Schwanz, ein paar Ehrenrunden durch die Popmusikgeschichte dreht, haben A Band of Crickets höchstwahrscheinlich bedacht. Tatsächlich fallen einem natürlich schnell die Residents ein oder Daft Punk – und irgendwo zwischen den verwirrenden Experimenten der einen und dem pulsierenden Elektro-Pop der anderen kann man unsere Berliner Geheimniskrämer ja auch verorten – wenn auch nicht in direkter Nachfolge.

Stattdessen klingen die Vogelmenschen auf „Inter Larvas“ immer wieder wie Massive Attack, bei denen dann vielleicht Björk als Sängerin angeheuert hat. Schlürfende, sexy Beats in Zeitlupe, über denen eine Sängerin verbogene Vokalakrobatik veranstaltet. Aber sie können ebenso souverän Lagerfeuer-Gitarren-Atmosphäre wachrufen und Easy Listening für eine Weltraum-Bar programmieren, einen Offbeat-Ausflug nach Jamaika buchen oder in „Dropout“ so düster dräuen, als wollten sie einen Horrorfilm vertonen.

Wie sie diese verschiedenen Einflüsse zusammensetzen zu einem schlüssigen Ganzen, wie die Bässe satt schmatzen und Melodien in unbekannte Sphären aufbrechen, wie sie gekonnt mit den Verzögerungen des Dub spielen, karge Klanglandschaften völlig unerwartet zum Blühen bringen und sich im nächsten Moment doch wieder dem Mainstream-Pop andienen, das ist ein sehr aufregender Maskenball. Denn „Inter Larvas“ ist tatsächlich – auch und vor allem trotz des ganzen Mummenschanzes – erst einmal ziemlich großartige Musik. THOMAS WINKLER

■ A Band of Crickets: „Inter Larvas“ (Behind The Black Curtain Records/Straight Distribution)