ALLEN IST KLAR, DASS ES EIN SCHÖNER ABEND WERDEN WIRD. MIT LAMPIONS IN DEN BÄUMEN UND ALLEM PIPAPO
: Meine Sitznachbarin riecht nach Himbeerbonbons

Draußen im Kino

VON DETLEF KUHLBRODT

Manchmal kommt man aus dem Kino und sieht Kollegen von Weitem. Sie sitzen zum Beispiel an der Bar des Cinestar und lächeln einem zu; man winkt, möchte zu ihnen gehen, macht zwei Schritte in ihre Richtung, freut sich schon darauf, die lustigen Sätze zu sagen, die einem gerade während der US-thailändisch-indonesischen Coproduktion „How to Win at Checkers (Every Time)“ von Josh Kim eingefallen sind.

Der Film spielt in den Außenbezirken von Bangkok und endet tragisch. Dass die Bekannten dort sitzen, deutet aber darauf hin, dass sie gar nicht in dem schönen Film waren, über den man jetzt so gerne reden würde. Also macht man komische Gesichtsverrenkungen und geht doch nicht zu ihnen. Manchen Leuten geht man auch aus dem Weg, weil sie einen irgendwann vor Jahren einmal so zugemüllt hatten mit Worten.

Wenn man gerade nicht im Kino war, spricht man allerdings gerne mit Bekannten. Zum Beispiel mit K. Ich sage, wie schrecklich ich diese sackleinene Berlinale-Tasche fände; und nächstes Mal könne man die ganze Berlinale ja gleich auch Festivalmanufaktur nennen. Er sagt, er sei am Entwurf dieser Tasche mit beteiligt gewesen. Eigentlich sei die Tasche eine Strandtasche. Das sei das Geheimnis. Sogleich fand ich die Tasche nicht mehr doof und bedauerte, mich abfällig geäußert zu haben. Strandtasche im Februar ist ja eigentlich witzig.

Dennoch laufe ich lieber mit der Tasche von 2007 herum. Die von 2000 und 2009 waren zwar noch besser, aber ich habe sie verloren oder verschenkt. Am Nachmittag gucke ich im Delphi „K“; die mongolische Verfilmung des Schloss-Romans von Kafka. Der Film ist sehr gut. Am Ende des Filmgesprächs singt eine junge Darstellerin ein mongolisches Lied. Ihr kurzer Auftritt ist einer der bisherigen Festivalhöhepunkte.

Am Abend fahre ich in das Haus der Berliner Festspiele, um die beiden ersten Folgen von „Better Call Saul“ zu gucken. Das Sequel von „Breaking Bad“ erzählt vom Vorleben von Walter Whites tollem Anwalt Saul Goodman (Bob Odenkirk). Auf dem Weg ins Kino erinnere ich mich daran, wie diese Berlinale begonnen hatte, wie panisch ich in den ersten Tagen gewesen war, wie wenig Lust ich verspürt hatte, meine winterliche Schreibtischlethargie zu verlassen. Und kaum, dass ich mich in der Berlinale wieder zu Hause fühle, ist sie fast schon wieder vorbei.

Es ist ein schöner Abend. Das Haus der Berliner Festspiele sieht sehr festlich aus mit Lampions in den Bäumen und allem Pipapo. Die Zuschauer, die auf den Einlass warten, sind guter Dinge. Eine so angenehm vorfreudige Stimmung kannte ich sonst nur von Filmen aus Hongkong. Allen ist klar, dass es ein schöner Abend werden wird. Und so ist es auch. Meine Sitznachbarin riecht nach Himbeerbonbons. „Better Call Saul“ hält das Niveau der besseren „Breaking Bad“-Folgen, ist aber vielleicht noch lustiger. Die zweite Staffel ist in Arbeit und Bob Odenkirk gut gelaunt und sagt witzige Sachen, zum Beispiel: „Pray for the people on tv.“

Am nächsten Morgen bin ich schon um 8.30 Uhr im Kino, um mir den dritten Teil der Fay-Grim-Saga von Hal Hartley anzugucken. Es ist super, am frühen Morgen in einem halb vollen Kino zu sitzen. „Ned Rifle“ ist elegant, intelligent, humorvoll und sehr schön. Plötzlich setzt sich jemand neben mich. Das ist Andreas, den ich Ende der 80er als taz-Autor kennengelernt hatte. Seine Texte hatte er immer mit „DOA“ unterschrieben.