JANNIS PAPADIMITRIOU ÜBER DIE VERTRAUENSABSTIMMUNG FÜR TSIPRAS
: Schwere Chosen in Athen

Die gute Nachricht lautet: Der erste linke Ministerpräsident in der Geschichte Griechenlands, Syriza-Chef Alexis Tsipras, stellt die Ärmsten und die Schwächsten der Gesellschaft in den Mittelpunkt. Das tut er in einer Deutlichkeit, wie man sie nicht nur in Krisenzeiten vermisst hat.

Weniger deutlich waren seine Aussagen über die Umsetzung zentraler Wahlversprechen. Das ist angesichts leerer Staatskassen und anstehender Verhandlungen über den griechischen Schuldendienst aus taktischer Sicht durchaus verständlich.

Was man nicht verstehen kann, ist die Umtriebigkeit seines rechtspopulistischen Verteidigungsministers und späten Verbündeten Panos Kammenos, der sich als Nebenaußenminister und Ersatzkassenwärter inszeniert.

Bereits in seiner ersten Amtswoche fiel Kammenos durch markante und teils widersprüchliche Äußerungen auf: Griechenland würde sich nach alternativen Finanzierungsquellen in Russland umsehen. Interessant seien auch Waffenkäufe in Moskau. Eine stärkere Rolle in der Nato wünsche man sich aber auch. Übrigens werde er eine Lockerung des Ausländerrechts nicht mittragen.

Doch genau das kündigte die zuständige Syriza-Ministerin kurz vor dem Vertrauensvotum im Parlament an.

Jedes Votum zeigt, dass der Linkspremier parlamentarisch stark, aber vom Wohlwollen der Rechtspopulisten nicht völlig unabhängig ist. In den nächsten Wochen wird Tsipras permanent am Kabinettstisch, in seiner eigenen Partei und in Brüssel die Positionen austarieren müssen. All das macht das Regieren nicht einfacher. Doch Tsipras muss kühlen Kopf bewahren. Die Ärmsten und Schwächsten der griechischen Gesellschaft erwarten sehr viel von ihm. Vielleicht sogar zu viel.

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