Auf einen Flirt mit der Kamelhaarmantel-Fraktion

Natalie Tenbergs Gastro- und Gesellschaftskritik: Das Anna Blume ist das Kinder- und Elternparadies am Kollwitzplatz. Also bitte, haben Sie Geduld!

Jeder der vielen Bezirke Berlins ist anders. Die Gebäude unterscheiden sich, Geschäfte und Kneipen sowieso. Trotz dieser Vielfalt aber gibt es einen Teil dieser Stadt, der für die Auswärtigen wie Zugezogenen das einzig wahre Berlin verkörpert: Altbau, Chichi, kreative Erwachsene und Kinder auf Laufrädern. Dieser Ort heißt Prenzlauer Berg, der Single-Albtraum.

Kein Café repräsentiert das, was um den Kollwitzplatz herum geschieht, besser als das Anna Blume an einem Samstagmittag. Auf der Kopfsteinpflaster-Terrasse drängen sich die Menschen unter die Heizpilze. Fröhlich flirten die Kleinkinder tätowierter Pferdeschwanzträger mit denen der Kamelhaarmantelfraktion. Dabei kauen sie an den Brötchen herum, die ihre Eltern zum Frühstück bekommen. Die Erwachsenen kommen gerade vom Markt und treffen Freunde. Man sollte ja trotz Kind den Kontakt zu anderen Menschen pflegen. Die anderen Menschen sitzen dann leicht genervt zwischen Hipp-Gläschen und Babylove-Feuchttüchern und wünschen sich, ihre Freundin oder ihren Freund endlich mal allein zu sehen.

Da viel schiefgehen kann, wenn so viele Gäste kleine Kinder sind, hat sich die Bedienung im Anna Blume eine gelassen fatalistische Haltung zugelegt. Fragt man zwanzig Minuten nach der Bestellung, ob der Latte macchiato noch kommt, oder vielleicht, kann ja passieren, vergessen wurde, muss man sich mit einem Schulterzucken abfinden. Es ist wie es ist, die Bestellung wäre aufgegeben, alles was danach käme, läge außerhalb der Zuständigkeit der Bedienung. Freundlicherweise wird das Getränk mit dem Hinweis nachgereicht, dass das System zusammengebrochen sei. Die Hoffnung, jemals das bestellte Frühstück für zwei mit Etagere zu bekommen, schwindet bei dieser Ansage, die Hand greift tiefer in den Brotkorb. Welch freudige Überraschung dann, als das dreischichtige Tellergestell doch seinen Platz zu unserem Tisch findet. Obenauf liegt das Obst, in der Mitte Wurst, Käse und Lachs auf Salatbett, ganz unten sonnengetrocknete Tomaten, Pasten. Ein herrlicher Anblick, der auch beim Verzehr nicht enttäuscht. Bei hervorragenden Rhabarberstreusel freut man sich, dass man hier noch das Konditor-Handwerk perfekt beherrscht.

In therapeutischen Dosen ist das Anna Blume wegen der gemütlichen Terrasse und der Speisen zu empfehlen. Vielleicht gewöhnt man sich auch an die Schnodderigkeit der Bedienung. Oder sie gibt sich beim nächsten Mal einfach mehr Mühe.

CAFÉ ANNA BLUME, Kollwitzstr. 83, 10405 Berlin, Tel. 44 04 87 49, www.cafe-anna-blume.de, tgl. 8 bis 2 Uhr, Latte macchiato 2,90 €, Cola 1,90 €, Anna-Blume-Frühstücksetagere für zwei Personen 15,80 €, Kinderbücher und Spielzeug vorhanden