Wo Kiffer aus dem Wald kullern

BUNDESWEHRREFORM 33 Standorte sind von der Schließung „bedroht“? Ganz im Gegenteil

Wo Kasernen geschlossen werden, dort ist das Glück zu Hause. Ich weiß, wovon ich spreche

VON ANJA MAIER

Betroffenheit ist ja ein tipptopp Wort im Zusammenhang mit der Nachricht, dass CDU-Verteidigungsminister de Maizière verkündet hat, 33 Bundeswehrstandorte schließen zu wollen. Städte und Dörfer, wo sich diese militärischen Trutzburgen befinden, sind im Nachrichtendeutsch „von der Schließung betroffen“, mitunter gar „bedroht“. Die anderen Standorte und deren Bewohner hingegen bleiben „verschont“. So ein Quatsch.

Wo Kasernen geschlossen werden, wo die Ballerei ein Ende hat und Wildschweine von Bombentrichtern zerklüftete Landschaften zurückerobern – dort ist das Glück zu Hause. Ich weiß, wovon ich spreche. In meiner kleinen Kleinstadt im Brandenburgischen wurde vor Jahren die Kaserne geschlossen. Als der Bescheid kam, dass 800 Soldaten und Zivilbeschäftigte den Ort verlassen würden, war das Geheule groß. Wie stets bei derlei Gelegenheiten wurden die Gewerbetreibenden zu „Betroffenen“ erklärt: Die Bäcker. Die Wirte. Das Baugewerbe.

Was soll ich sagen? Wiewohl die Einwohnerzahl von 41.800 auf 41.000 gesunken ist, gibt es die Bäcker und Wirte alle noch. Und wenn ich einen Handwerker brauche, werde ich auf Platz 14 der Warteliste gesetzt.

Gar nicht hoch genug geschätzt werden können all jene Vorteile, die wir seit der Schließung genießen. Hatte es bis dahin zu unvorhersehbaren Zeiten aus den Kiefernwäldern geknattert und gekracht, kehrte plötzlich himmlische Ruhe ein. Uns Bewohnern steht seither ein sehr weitläufiger Pilz- und Brombeerwald zur Verfügung, den wir an den Wochenenden mit Kindern und Hunden bevölkern. Durch die schmale Hauptverkehrsstraße unserer kleinen Kleinstadt schlingern auch nicht mehr jene olivgrünen Bundeswehr-Lkws, hinter deren Lenkrädern achtzehnjährige Fahrschüler mit einiger Mühe versuchen, die Spur zu halten. Und auf dem Bahnhof kotzen keine Soldaten mehr in die Ecken, die sich zum Dienstbeginn den Bregen weggesoffen haben.

Seit dem letzten Sommer hat sich die grüne Idylle offenbar bis über die Landesgrenze zu den Hauptstädtern herumgesprochen. Neuerdings finden zwischen Bombenkratern und Panzerplattenwegen drogenexperimentelle Workshops statt. Sehr junge Menschen trollen sich vom Bahnhof aus in die nahe Schonung, die bis vor wenigen Jahren noch mit einem „Militärisches Sperrgebiet!“-Schild gesichert war. Wir Bewohner hören dann Bässe aus dem Wald. Und bis am Sonntag die letzte S-Bahn nach Berlin geht, kullern immer mal wieder sehr lustige Slacker aus dem Unterholz, das mittlerweile den Schießplatz bewaldet.

Fürwahr, unsere Welt ist eine friedlichere geworden. Von Betroffenheit kann überhaupt nicht die Rede sein. Eher von der angedrohten Verschonung.