Auf Hundertwassers Spuren

Studierende malten nachts die Flure und Wände der Hamburger Kunsthochschule zuerst bunt an und zwei Wochen später wieder weiß. Seine Strafanzeige wegen Sachbeschädigung will der Hochschulpräsident nun vielleicht zurücknehmen

An der Hamburger Hochschule für bildende Künste (HfbK) haben Studierende am Sonntag Wände und Fußleisten geweißelt. Damit beseitigten sie die Spuren einer nächtlichen Malaktion vom 30. September, die die Gemüter erhitzt und den HfbK-Präsidenten Martin Köttering zu drastischen Maßnahmen veranlasst hatte: Köttering stellte Strafantrag wegen Sachbeschädigung – im Raum steht eine Schadenssumme von 50.000 Euro. Zudem lässt er seither das Hochschulgebäude, dessen Foyer ein wertvolles Jugendstil-Fenster schmückt, ab 21 Uhr schließen – eine Neuheit im Leben der Hochschule.

„Ich häng’ an der HfbK“ stand da beispielsweise neben einem kulleräugigen Strichmännchen. Oder „HfbK, wie sie früher war“ in einem Herzchenbild. Andernorts waren Fußleisten und Böden mit Pünktchen oder Strichen versehen worden, in der Süddeutschen Zeitung wurde aber auch Bedrohliches zitiert, etwa die aus dem Fußballstadion entliehene Zeile „Köttering, wir wissen wo dein Auto steht“. Nach Aussagen von Studierenden waren diese Sprüche aber schon vor der nächtlichen Aktion zu lesen.

Zunächst vermutete die Hochschulleitung die studentische Arbeitsgemeinschaft Studienboykott hinter der Aktion: Immerhin war in der Nacht des 30. September eine Frist abgelaufen, nach der rund 140 Gebühren-Nichtzahler endgültig exmatrikuliert werden sollten; die AG distanzierte sich. Wegen des Boykotts der Studiengebühren macht die Hochschule seit Wochen sogar überregional Schlagzeilen.

Es habe sich bei den nächtens angebrachten Arbeiten „um einen Ausdruck von Sprachlosigkeit“ gehandelt, erklärte HfbK-Sprecherin Karin Pretzel dann. „Nicht um eine qualitätsvolle Kunstaktion.“ Das sahen Studierende anders: „An einer Kunsthochschule sind Wandmalereien legitim“, sagt der HfbK-Student Eugen Regensburg. Die Vollversammlung wolle die Aktion legitimieren. „Das ist eine der wenigen Ausstellungen, wo wir mit Interesse reingegangen sind.“ Dokumentiert sind die Bilder im Internet auf dem Künstlerportal www.thing-hamburg.de. Dort erschien auch ein Bekennerschreiben der nachtaktiven Gruppe: Man habe Lebendigkeit schaffen und die „neoliberal verschleierte Entmündigung der Studenten reflektieren“ wollen.

An der Hochschule wurde rasch darüber diskutiert, ob es für die Wandbilder nicht doch Scheine geben sollte. Immerhin konnten die nächtlichen Maler sich auf ein prominentes Vorbild berufen: Im Dezember 1959 zog der damalige Gastdozent Friedensreich Hundertwasser eine fast zehn Kilometer lange Linie über Wände, Fenster, Heizungen und Türen. Die Malaktion wurde von der Polizei gestoppt.

Scheine bekamen die Urheber der nun wieder verschwundenen Malereien dann zwar keine, aber eine schöne Solidaritätserklärung: „Wir möchten Sie daran erinnern, dass zu allen Zeiten derartige Aktionen an Kunsthochschulen stattgefunden haben“, appellierte die Professorin Andrea Tippel im Namen von neun KollegInnen an Präsident Köttering. Diesen forderten die DozentInnen auf, den Strafantrag zurückzunehmen.

Darüber will Köttering heute entscheiden. Doch ihm steht schon der nächsten Konflikte ins Haus. Aus Protest gegen die nächtliche Schließung des Gebäudes haben drei seiner Professoren ihre Seminare in den Abend verlegt.KAIJA KUTTER