Im Land der armen Kinder

In Bremen leben 32.000 Kinder von ALG II: Zusammen mit Rheinland-Pfalz will das Kleinstbundesland das Problem mit einer Bundesratsinitiative bekämpfen. Dabei hofft man diesmal auch auf Unterstützung aus unionsregierten Ländern

Knapp zwei Wochen, nachdem der Mindestlohnvorstoß in der Länderkammer gescheitert ist, bringt Bremen eine neue Bundesratsinitiative auf den Weg. Die Aussichten auf Erfolg sind allerdings deutlich größer: Ziel ist es, die wachsende Kinderarmut zu bekämpfen. Und diese Debatte „wird bundesweit geführt“, sagte Sozialsenatorin Ingelore Rosenkötter (SPD) über die Chancen, eine Mehrheit zu organisieren. Sie könne sich „nicht vorstellen, dass das Thema nicht begriffen wird“.

Zumal im Land Bremen drängt es sich tatsächlich auf: 32.000 Kinder leben dort in Armut, rund 30 Prozent, in der Stadt Bremerhaven sogar annähernd die Hälfte. Und fast 10.000 von ihnen bei allein Erziehenden – meist Frauen. Strittig ist allerdings die Frage nach dem geeigneten Lösungsweg: So begrüßte gestern die Bremer Arbeitnehmerkammer zwar den Bremer Antrag. Es wäre jedoch „sinnvoller“, sagte eine Sprecherin, eine Bundesratsinitiative zu starten, um „das System der vorgelagerten Hilfen wie dem Kinderzuschlag besser auf das der Sozialleistungen abzustimmen“. Dadurch sei „ein Abrutschen von Familien in die Hartz IV-Spirale zu verhindern“. Derzeit jedoch würden „80 Prozent der Anträge auf Kinderzuschlag abgelehnt“.

Der jetzige Initiativ-Antrag arbeitet sich in der Tat ausschließlich an Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch ab. Konkret sieht er vor, Ansprüche auf Einmalzahlungen für Schulbedarf, Nachhilfeunterricht und kulturelle Teilhabe festzuschreiben. Zudem will man bei den so genannten Regelsätzen an drei Punkten Korrekturen anbringen: Die gesetzlich vorgeschriebene Überprüfung soll häufiger stattfinden, aktuell soll der Gesetzgeber auf die „drastisch gestiegenen Lebensmittelpreise“ reagieren. Und zudem seien die – an die Zahlungen für Erwachsene gekoppelten – Regelsätze für Kinder nachzujustieren. Unter 14-Jährige haben derzeit Anspruch auf ALG II in Höhe von 208, Jugendliche von 278 Euro. Nach Bremer Schätzung entstünden dem Bund durch die neuen Leistungen Gesamtkosten von 319 Millionen Euro. Für die Länder wären die angeregten Maßnahmen kostenneutral, für die Kommunen weitgehend auch.

Auch aus eigener Kraft unternehme Bremen Anstrengungen, hob Rosenkötter hervor. Und verwies auf den beschlossenen Ausbau von Kindergärten und die Pläne, dort ein kostenloses oder wenigstens preisreduziertes Mittagessen anzubieten. Mit dem gestern vorgestellten Antrag unterstützt das Kleinstland einen Gesetzvorschlag aus Rheinland-Pfalz. Dessen Landesvater, SPD-Chef Kurt Beck, hatte auch das Vorhaben für einen gesetzlichen Mindestlohn mitgetragen.

Im Falle der Initiative gegen Kinderarmut gibt es laut Rosenkötter aber positive Signale „nicht nur der A-Länder“ – das steht im Polit-Jargon für SPD-geführte Bundesländer. Auch Schleswig-Holstein wisse man auf seiner Seite. Ganz so weit ist man in Kiel allerdings nicht: „Unser Haus tendiert dazu“, sagt ein Sprecher der Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD). Im schwarz-roten Kabinett gebe es aber noch Klärungsbedarf. bes