Die Frau mit der Waffe

Die erste Frau der Nachkriegsgeschichte, die Banken ausraubte: 19 Überfälle verübte Gisela Werler zwischen 1965 und 1967 in Norddeutschland. Nun widmet sich der „Banklady“ eine Ausstellung

VON KLAUS IRLER

Fernschreiber, Diktiergerät, schwarzes Telefon mit Gabel, das war’s. Das alles auf einem massiven Holzschreibtisch, der vor einem massiven Holzschrank steht. An der Gaderobe eine Uniform, die man auch als Rock bezeichnen könnte, und zur Fortbewegung ein Dienstfahrrad ohne Funkgerät. Die Polizisten, die in Amtsstuben dieser Art in den 1960er Jahren Dienst taten, müssen in einer gemütlichen Welt unterwegs gewesen sein. Was ihre Hilflosigkeit umso größer machte, als 1965 die Serie von Banküberfällen in Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein losging. Denn sie riss nicht ab – und der Täter war eine Frau.

Eine blonde Perücke hatte sie, eine große schwarze Sonnenbrille und ausgewählt höfliches Auftreten. Sie war die erste Frau der Nachkriegsgeschichte, die ihr Geld als Bankräuberin verdiente. Für die Polizei passte sie damit in kein Raster, für die Medien war sie die „Banklady“. Ihre Geschichte erzählt das Volkskunde-Museum Schleswig derzeit in der Sonderausstellung „Die Banklady“: anhand von Original-Accesoires der Banklady und nachgebauten Schauplätzen, die wiederum durch Originalgegenstände aus den 60ern aufgewertet werden. Denn das Museum hat geerbt: Erstens die frühere Lehrmittelsammlung der Polizeidirektion für Aus- und Weiterbildung in Eutin. Zweitens die Privatsammlung von Wolfgang Kroker, einem katholischen Pfarrer und Polizeihistoriker (siehe Text unten).

„Die Banklady“ ist nun die erste Ausstellung, in der Teile der neuen Bestände gezeigt werden. Wobei es nicht nur darum geht, was die Polizei beschlagnahmt hat, als sie die Banklady und ihren Mann und Komplizen im Dezember 1967 festgenommen hatte. Neben Sonnenbrille, Nylon-Kopftuch, Perücke und Maschienenpistole geht es der Ausstellung um das Milieu, aus der die Banklady kam und in dem sie als Bankräuberin unterwegs war: Die Kuratoren Carsten Fleischhauer und Guntram Turkowski haben anhand von Fotos die Wohnung der Banklady nachgebaut, außerdem gibt es 1 : 1-Nachbauten einer typischen ländlichen Polizeistation und der Bankfiliale des letzten Überfalls in Bad Segeberg. Dazu Videos mit Interviews von Opfern und Tätern, was der Ausstellung über die Illustration hinaus Tiefe verleiht.

Denn die Banklady – alias Gisela Werler – war nicht das, was die Medien im Fieber aus ihr gemacht hatten. Gisela war eine unscheinbare Frau, kam aus kleinen Verhältnissen und arbeitete als Packerin. Sie verliebte sich in den Taxifahrer Peter Werler, da überfiel dieser bereits Banken, und das fand sie faszinierend. Im Juli 1965 begann ihre eigene kriminelle Karriere: In wechselnden Verkleidungen tauchten sie oder Peter Werler in insgesamt 19 Filialen auf, bedrohten die Bankangestellten mit einer Pistole, fuhren in einem Käfer davon und stiegen auf der Flucht in ein Taxi um. In knapp zweieinhalb Jahren erbeuteten die zwei rund 400.000 Mark – das entspricht in etwa einer heutigen Kaufkraft von zwei Millionen Euro. Aber statt großem Jet Set reichte dem Paar das kleine Wirtschaftswunder-Glück: Man kaufte sich ein gebrauchtes Auto, einen Fernseher – und neue Gardinen. Und abends gab es jetzt öfter mal Kalbfleisch und Cognac.

Für die Presse war die Banklady eine erotische Phantasie, keine normale Frau. Mal wurde die Blondine mit der Pistole als männermordender Vamp verkauft, mal als psychisch geschädigte Person, die ihrem Mann hörig sei. Und die Polizei nahm ihre Ermittlungen im Hamburger Rotlichtmilieu auf – als Patrouille auf der Suche nach einer blonden Frau. Dass Gisela und Peter Werler gefasst wurden hatte dann damit zu tun, dass die Banken ihre Filialen nach und nach mit Alarmknöpfen ausstatteten – deutlich motiviert auch von den Überfällen der Banklady.

Bei ihrer Festnahme schoss Peter Werler auf vier Bankangestellte und verletzte sie. Er wurde zu beinahe vierzehn Jahren Gefängnis verurteilt, Gisela bekam neuneinhalb.

Die Heirat der beiden in der Gefängniskapelle und das gemeinsame Leben in Hamburg nach der Entlassung verschweigt die Ausstellung nicht, sie hält aber angenehm Distanz. Ihr geht es um einen Einblick in Alltag und Polizeiarbeit der 60er Jahre, transportiert durch die Geschichte der Banklady. Deren Bedeutung für die Frauenbewegung harrt dabei noch der Aufarbeitung – auch gern bei Kalbfleisch und Cognac.