Beute aus Verbeulungen

ZUGLEKTÜRE Der Band „Helm aus Phlox“ von Ann Cotten u. a.

Wangtao Cheng, ein chinesischer Freund und Künstler, hatte mich noch zum Bahnhof gebracht. Wir saßen wartend und redeten noch ein bisschen. Er beneidete mich darum, nach Berlin zu fahren. In seiner Vorstellung ist Berlin (Kreuzberg, eigentlich die Mittenwalder Straße) warmherziger als Frankfurt. Keine Ahnung, wie’s in echt ist, das Buchmessenfrankfurt fand ich ja toll. So schön schien die Sonne. Plötzlich rauschte Claudia Roth an uns vorbei, und ich musste lachen.

Der Zug war überfüllt. Die Hälfte der Fahrt saß ich auf dem Boden, ein bisschen eingezwängt, doch ganz okay, und las in dem Merve-Buch „Helm aus Phlox – Zur Theorie des schlechtesten Werkzeugs“ von Ann Cotten, Daniel Falb, Hendrik Jackson, Steffen Popp und Monika Rinck. Das Buch war aus einem geschlossenen Blog entstanden, den die DichterInnen im Frühjahr 2008 eröffnet hatten. Fragen der Poetik werden behandelt; die Bewusstseinslagen und Lebensformen, die die Produktion poetischer Texte umgeben. Das Lesen machte große Freude. Vertieft im Buch entfernten sich die Gespräche der anderen. Manchmal malte ich kleine Kreuze neben Sätze und Absätze: „Wie in allen b-Taktiken ist auch in >Trance> der Jagende Ereignis, Gegenstand seiner Jagd – in diesem Fall als willentlich/unwillentlich destabilisierte Struktur, die sich externen Kräften als Siedlungsfläche resp. Punchingball hinhält und auf diesem Wege Verbeulungen erbeutet.“ (Die Verbeulungen hatten es mir angetan.) „Der Neuling wird vom Understatement oft verwirrt, also ist der Gebrauch des Understatements, will man auch zum Neuling fein sein, gut abzuwägen.“ Ich stellte mir Situationen vor. Oder: „Ginge nicht auch das: Alles immer nur halb machen und am Ende falsch zusammen setzen. --- und außerdem nie bei der Sache sein, nie ganz bei der Sache gewesen und sein werden. Und dann wieder … irgendwo anders anfangen.“ Das vor allem stellte ich mir schön vor, keine Ahnung, wie das meine Redakteure sehen. DETLEF KUHLBRODT

■ „Helm aus Phlox“. Merve, Berlin 2011, 336 Seiten, 22 Euro