Die KP ist stocksauer

Die chinesischen Kommunisten sind empört: Jetzt hat sich auch noch George W. Bush mit dem Dalai Lama getroffen

„Wir sind wütend“, sagt Zhang Qingli, KP-Chef und mächtigster Mann Tibets. „Wenn der Dalai Lama so eine Ehrung erhalten darf, dann kann es in der Welt keine Gerechtigkeit und keine guten Menschen geben.“

Was den Parteichef aus Lhasa so erzürnt: Ohne sich um die Warnungen „vor ernsten Folgen“ aus Peking zu kümmern, empfing US-Präsident George W. Bush den Dalai Lama am Dienstag im Weißen Haus. Am Tag darauf erhielt der Tibeter im Kongress die „Goldene Medaille“ – eine der höchsten Auszeichnungen der USA.

Pekings Reaktion: Der US-Botschafter Clark Randt wurde ins Außenministerium zitiert, um eine Protestnote entgegenzunehmen. Außenamtssprecher Liu Jianchao verurteilte die „Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas“. Er wiederholte, was Pekings Politiker stets über den Friedensnobelpreisträger sagen, der seit 1959 im indischen Exil lebt: Die vergangenen Jahrzehnte hätten gezeigt, „dass er ein politischer Flüchtling ist, der unter dem Deckmantel der Religion seine spalterischen Aktivitäten verbirgt“.

Welche „ernsten Folgen“ das Ereignis in Washington haben soll, blieb zunächst offen. In den letzten Tagen sind bereits einige chinesisch-amerikanische Konferenzen von chinesischer Seite abgesagt worden. Ähnlich ergeht es Österreichern und Deutschen, seitdem der Dalai Lama in Wien und Berlin empfangen wurde.

Der Rat von US-Präsident Bush, Pekings Politiker sollten sich mit dem Dalai Lama einfach einmal zusammensetzen, kommt zu einer Zeit, in der sich die Position der chinesischen Führung deutlich verhärtet hat.

Sechsmal trafen sich Abgesandte des 72-jährigen Tibeters und chinesische Diplomaten in den vergangenen fünf Jahren, ohne neue Wege für eine Lösung des Konfliktes zu finden.

Der Dalai Lama hat inzwischen zwar – anders als Peking behauptet – den Wunsch nach einem eigenständigen Staat Tibet aufgegeben. Aber er besteht auf der Feststellung, dass Tibet früher einmal unabhängig war, was die KP vehement bestreitet. Zudem fordert er mehr religiöse und kulturelle Freiheiten nicht nur für die Bewohner der heutigen „autonomen Region“ Tibet, sondern auch für jene Tibeter, die in anderen Teilen Chinas leben. Das will Peking auf keinen Fall zulassen.

So fällt die KP auf ihre alten Methoden zurück – mehr Repression einerseits und mehr wirtschaftliche Investitionen andererseits in Tibet – und verschiebt das Problem. Tibet-Experten warnen, dass eine jüngere, radikalere Generation von Tibetern nachrückt, die weniger friedlich sein wird als der Dalai Lama. Viele Chinesen wiederum glauben ihrer Regierung, dass der Friedensnobelpreisträger ein Unruhestifter sei, den das Ausland nur benutzt, um China zu schaden. In den Schulbüchern und Zeitungen steht nichts anderes. JUTTA LIETSCH, PEKING