die taz vor 20 jahren über erich frieds rede bei der verleihung des büchner-preises
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Zu einem Eklat kam es am Samstag abend in Darmstadt bei der Verleihung des Georg-Büchner-Preises an den Lyriker und Shakespeare-Übersetzer Erich Fried. Die Ehrung wird von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung vergeben, deren Präsident Heckmann den 66-jährigen Fried als „mutigen Schriftsteller“ bezeichnete. Der in London lebende Dichter habe es nicht aufgegeben, „gegen die Übermacht der Mißstände auf unserer Welt zu schreiben“.

In seiner Dankesrede hatte Fried erklärt, der wegen der Publikation des „Hessischen Landboten“ in Darmstadt verfolgte Büchner sei kein „Apostel der Gewaltlosigkeit“ gewesen. Es sei wahrscheinlich, daß er „sich in unserer Zeit zur ersten Generation der Baader-Meinhof-Gruppe geschlagen hätte“. Wenn Büchner heute schreiben würde, hätte er sicherlich den „neu aufkommenden Antisemitismus“, die „Verstümmelungen des Asylrechts“ oder „ehrerbietiges Stillschweigen“ vor jedem Popanz aufs Korn genommen. Gegen Ende seiner Rede ging Erich Fried auf die Vertreibung von Sinti und Roma aus der Stadt Darmstadt ein. Als der seinerzeit dafür zuständige SPD-Oberbürgermeister Metzger nach der Preisverleihung das Bankett für 300 geladene Gäste statt mit einem Begrüßungstoast mit einer Interpretation der Fried-Rede eröffnete, kam es zu Tumulten.

Metzger bezeichnete die Ansprache Frieds als „weniger gute Rede“ und warf ihm „Doppelmoral“ vor. Schließlich habe Fried einen von Stadt, Land und Bund gestifteten, mit 30.000 Mark dotierten Preis angenommen, und gleichzeitig greife er den Staat vehement an. mbr, 19. 10. 1987