Herr Dost schießt sich den Frust weg

FUSSBALLSCHLACHT Das 5:4 des VfL Wolfsburg bei Bayer Leverkusen ist auch die Geburt eines neuen Helden im Angriff: Der Niederländer Bas Dost mag ungelenk sein, wer aber vier Mal trifft, macht vieles richtig

„Ihr habt immer gefragt: Muss nicht ein neuer Stürmer kommen? Und die Scheiße alles. Das nervt“

BAS DOST

AUS LEVERKUSEN DANIEL THEWELEIT

Drei Tore hatte Bas Dost schon geschossen, längst war klar, dass er zum Hauptdarsteller eines spektakulären Fußballnachmittags geworden war, aber der Stürmer des VfL Wolfsburg war wütend. Irgendwann in der wilden Schlussphase der Partie des VfL Wolfsburg bei Bayer Leverkusen habe er gedacht, „da schießt du drei Tore und gewinnst trotzdem nicht, das hat mich gestört“, erzählte Dost nach dem Schlusspfiff.

Und weil es sich um einen dieser seltenen Tage im Leben handelte, an denen irgendwie alles möglich ist, hat er eben noch ein viertes Tor geschossen und das 4:4 in einen denkwürdigen 5:4-Erfolg für den VfL verwandelt. „Niemand hat mehr daran geglaubt, und dann schießt du einfach das 5:4, das war ein Wahnsinnsspiel“, sagte Dost.

Das war eine bizarre Pointe für zwei Stunden großartige Fußballunterhaltung, auch wenn das Niveau des Duells natürlich zweifelhaft gewesen ist.

In der ersten Hälfte spielte Wolfsburg brillant und Bayer ganz schwach, nach der Pause war dann Wolfsburg erschreckend schlecht und die Leverkusener waren zumindest engagiert. Aber sie agierten viel mit langen Bällen, es war eher eine chaotische Schlacht als eine kultiviertes Fußballspiel, und Dost ist der perfekte Held für dieses unkonventionelle Drama gewesen. „Es sieht anders aus bei ihm als beim typischen Mittelstürmer, den man so im Kopf hat“, sagte Wolfsburgs Manager Klaus Allofs über den etwas hölzern wirkenden Holländer. So wie diese ganze Partie anders aussah, als man es sich von einem Duell zweier Spitzenteams vorstellt.

Allerdings wird mehr und mehr klar, dass sich hinter der etwas ungelenk erscheinenden Fassade ein wunderbarer Fußballer verbirgt. Drei seiner vier Treffer waren hoch kompliziert, das Leverkusener Publikum konnte virtuose Stürmerkunst nahe der Vollendung bestaunen. „Er ist sehr effektiv, ein guter Techniker und starker Kombinationsspieler“, erläuterte Allofs, der sich darüber freut, dass nun vorerst niemand mehr über eine angebliche Schwäche im Kader des Tabellenzweiten diskutiert. „Ihr habt immer gefragt: Muss nicht ein neuer Stürmer kommen? Ist der gut genug? Muss er nicht weg nach Feyenoord Rotterdam? Und die Scheiße alles. Das nervt“, erinnerte sich Dost an die weniger gute Zeit.

Der Grund für den verspäteten Durchbruch, den Trainer Dieter Hecking „Anfang November“ 2014 verortete, ist allerdings einfach: Dost war in einem ersten 15 Monaten beim VfL nie richtig gesund. Erst verletzte sich der 25-Jährige, der 2013 für sieben Millionen Euro vom SC Heerenveen gekommen war, am Syndesmoseband, dann hatte er Probleme mit der Hüftmuskulatur. Erst mit orthopädischen Einlagen für die Schuhe als Maßnahme gegen Dosts Plattfüße wurde das Problem gelöst.

Seither „ist Bas da, wo wir ihn immer gesehen haben“, sagte Hecking. In sieben Partien stand Dost in dieser Saison in der Startelf, neun Mal traf er in diesen Spielen. Und in der Winterpause haben die Wolfsburger Dosts Aufblühen noch einmal durch eine ungewöhnliche Maßnahme beschleunigt. Dieter Hecking und Klaus Allofs hatten den Mut, Ivica Olic, der in der Hinrunde öfter getroffen hatte als alle anderen Offensivspieler, nach Hamburg zu transferieren. Das sei „ein ganz wichtiges Zeichen“ an Dost gewesen, erläuterte Hecking, „da hat er nochmal gespürt, welches Vertrauen wir haben. Bas ist einer, der diese Sicherheit braucht, und er zahlt das mit Toren zurück.“

Acht Treffer in den vier Rückrundenspielen seit Olics Klubwechsel sind zweifellos ein überzeugendes Indiz für die Richtigkeit dieser Maßnahme, die zu dieser extrem guten Phase passt, die die Wolfsburger derzeit durchlaufen. Die Mannschaft fügt sich zu einem immer stabileren Gebilde, und dann krönt die Mannschaft auch noch so ein absurdes Schauspiel wie jenes vom Samstag mit einem Siegtor in der Nachspielzeit. Wobei auch erstaunliche Schwächen zu sehen waren.

Trotz einer 3:0-Führung zur Halbzeit war die Ordnung plötzlich weg, „so was darf uns nicht passieren, wenn wir unsere Ziele erreichen wollen“, zürnte Hecking. Nach drei Toren von Heung-Min Son und einem von Karim Bellarabi stand es plötzlich 4:4, aber dann sah Emir Spahic nach einem ungeschickten Kopfballduell die gelb-rote Karte und bremste so den Leverkusener Schwung. Was Dost den Weg zu seinem krönenden Abschluss in der Nachspielzeit ebnete.