Vom Weltmeister besiegt

Ein ehemaliger Spieler, ein umworbener und ein 30 : 31: Im Spitzenspiel gegen Nordhorn kassieren die Handballer der SG Flensburg-Handewitt ihre erste Saison-Niederlage. Die Konkurrenz aus Kiel bleibt dadurch an der Tabellenspitze

Wer gleich nach Spielende einen Blick in die Katakomben der „Hölle Nord“ wagte, fühlte sich an ein Begräbnis erinnert: Mit versteinerter Miene liefen SG-Präsident Frerich Eilts und Geschäftsführer Fynn Holpert vor der Kabinentür auf und ab und brüteten stumm über der ersten Bundesliga-Heimniederlage seit 30 Spielen. Der Erste, der sich nach draußen wagte, war der schmerzverzerrte Torwart Dan Beutler, der bereitwillig zugab, während und nach einem Spiel noch nie so sauer gewesen zu sein: „Das war so peinlich, wir waren überhaupt nicht da.“

Wenn das Flensburger Publikum geahnt hätte, was kommen sollte, hätte es vor Spielbeginn wohl nicht gerade diese beiden Nordhorner Spieler mit warmem Applaus begrüßt: den von der SG umworbenen Weltmeister Holger Glandorf, der sich mit acht Toren und etlichen guten Anspielen eine exzellente Grundlage für künftige Gehaltsverhandlungen verschaffte, und den ehemaligen Flensburger Goran Sprem, der mit dem Schlusspfiff den Siegtreffer erzielte.

Dabei begannen die Flensburger, als wollten sie den Tabellennachbarn aus dem Emsland für die letzten Heimniederlagen in der Champions League büßen lassen: 6 : 2 stand es nach gut fünf Minuten, und auf Nordhorner Seite schien allein Holger Glandorf zur Gegenwehr fähig. Doch HSG-Trainer Ola Lindgren nahm eine Auszeit und baute die Mannschaft auf drei Positionen um – unter anderem im Tor.

Bei der SG entwickelten in der Folge weder Marcin Lijewski und Neuzugang Thomas Mogensen noch Blaženko Lacković genügend Durchschlagskraft aus der zweiten Reihe, um sich entscheidend abzusetzen. Und Spielmacher Ljubomir Vranjes rannte sich entweder fest oder wurde zu riskanten Anspielen gezwungen, die regelmäßig zu schnellen Gegenstößen führten.

Flensburgs Trainer Kent-Harry Andersson machte die Angriffsleistung dafür verantwortlich, dass seine Mannschaft das bis zum Schluss enge Spiel schließlich verlor. Zu Torerfolgen kamen die Flensburger hauptsächlich bei eigenen Gegenstößen, so dass der treffsichere Linksaußen Lars Christiansen mit 10 Toren zu ihrem besten Mann avancierte. Der nach dem Spiel die entscheidende Schwachstelle woanders sah als sein Trainer: „Wir hatten große Probleme in der Abwehr, die Kreisläufer sind ja ständig frei an den Ball gekommen.“

Den besten Beweis für diese These lieferte das entscheidende Tor zum 31 : 30: Kurz vor dem Schlusspfiff hatte Christiansen den Ausgleich erzielt – acht weitere Sekunden reichten den Nordhornern, um den Ball wieder zu Sprem an den Kreis zu bringen.

Ohne selbst an diesem Wochenende anzutreten, verteidigte der THW Kiel also seine knappe Tabellenführung. Einige Zuschauer in der ausverkauften Halle wurmte die vermutete Gefühlslage in der Landeshauptstadt da noch mehr als die eigene Niederlage: „Die Kieler“, raunte es aus allen Ecken, „lachen sich doch tot.“ RALF LORENZEN